Sommertheater um »fidelen Knast«

■ Veränderte Koalitionen bei Rechtsausschußdebatte um Strafvollzug/ Keine »Begünstigung« bei Flucht aus Tegel erkennbar/ CDU kritisiert Limbach

Berlin. Die Mitglieder des parlamentarischen Rechtsausschusses unterbrachen gestern eigens ihre Sommerpause um sich mit den jüngsten Ausbrüchen aus der Justizvollzugsanstalt Tegel zu befassen. Die CDU- Fraktion hatte eine Sondersitzung einberufen, weil ihr rechtspolitischer Sprecher Andreas Gram den Eindruck »erheblicher Sicherheitsmängel« gewonnen hatte, deren Brisanz keinen Aufschub dulde. Während die Initiative der CDU von der FDP begrüßt wurde, sprachen SPD und Bündnis 90/ Grüne von einem nicht gerechtfertigten Sommertheater.

Die »erheblichen Sicherheitsmängel« belegte Gram mit der Zahl der Häftlinge, die von Vollzugslockerungen nicht zurückgekommen seien. Diese sei von 1987 bis 1991 um 82 Prozent auf 504 gestiegen, Anlaß für die CDU von einem »fidelen Vollzug« zu sprechen. Seit Anfang dieses Jahres habe es eine »Serie« von Ausbrüchen gegeben, deren »Häufung die Frage stellt: Wie geht es politisch weiter«. Besonders erregte die CDU der Ausbruch des Raubmörders Klaus Jahn aus dem Tegeler Knast Ende Juni. Sie forderte, daß eine externe Expertengruppe den Fall untersuchen und Schwachstellen herausfinden solle. Die bisherigen Recherchen haben nach Ansicht des Tegeler Anstaltsleiters Lange-Lehngut ergeben, daß es »nicht den geringsten Anhaltspunkt« dafür gibt, daß ein Bediensteter den Ausbruch begünstigt habe.

Jahn ist, nach Lange Lehnguts Schilderung, am Morgen des 28. Juni, einem Sonntag, nach einer »präzisen und langfristigen Vorbereitung« mit einem Nachschlüssel in die Anstaltstischlerei eingedrungen und hat dort eine von ihm gebastelte, sieben Meter lange Holzleiter zusammengesetzt. Dann habe er »alles auf eine Karte gesetzt« und sei an die Außenmauer gerannt, die an dieser Stelle von den Wachtürmen aus schlecht einsehbar war, und habe sie überklettert.

Limbach hielt der CDU vor, daß ihre Empörung in keinem Verhältnis zur Vollzugswirklichkeit stehe. Berlin rangiere mit zwei Ausbrüchen aus geschlossenen Anstalten im Jahre 1991 auf Rang zwei der Bundesländer, das von der CDU gerne als Vergleich herangezogene Bayern habe hingegen 42 Entweichungen zu vermelden. Der Anteil der Fehlschläge an den Vollzugslockerungen sei von 1986 bis 1991 »im Grunde unwesentlich« von 1,02 auf 1,7 Prozent gestiegen. Was die CDU tue, so Limbach, sei nur dazu geeignet, Berlin in Mißkredit zu bringen. Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Ditmar Staffelt, sprach von einer »laschen, faktenlosen Nummer« seines Koalitionspartners und einer »Diffamierungskampagne« gegen die Justizsenatorin. Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Grüne Renate Künast mutmaßte gar, daß die CDU mit ihrer Attacke auf Limbach eine Senatsumbildung vorbereite, nachdem eine Reihe der von ihr gestellten Senatoren bereits angeschlagen sei. dr