Die Kunst des Konzelierens

Der Islamwissenschaftler Gernot Rotter verweist die Nahost-Berichterstattung Gerhard Konzelmanns ins Reich der Märchen  ■ Von Karim El-Gamhary

Plagiat, Paraphrase und Stuß“, das sind für den Islamwissenschaftler Gernot Rotter die drei konstituierenden Elemente, die in den Werken des „Nahostexperten“ Gerhard Konzelmann nahtlos ineinander übergehen.

Wer kennt sie nicht, Konzelmanns verlegte Sachbücher. Seine Bestseller dürften in keinem Buchladen fehlen, und durch seine zahlreichen Fernsehauftritte ist er wohl der bekannteste Journalist, der für das bundesdeutsche Fernseh- und Lesevolk in Sachen „Araber“ und „Nahost“ unterwegs war. Der Vorwurf des Plagiats macht Konzelmann seit Ende 1991 zu schaffen. In seinem neuen Buch „Allahs Plagiator“ enthüllt Rotter, selbst ein Opfer von Konzelmanns Abschreibetechnik, nur ein weiteres Mal die Machenschaften des „Großplagiators“ Gerhard Konzelmann.

„Konzelieren“ nennt der Hamburger Professor für Gegenwartsbezogene Orient-Wissenschaft die eigensinnige Arbeitsweise des schwäbischen Journalisten. Rotters Befund: Rund ein Drittel von Konzelmanns Werken, die sich mit der Geschichte der arabischen Welt befassen, sei fast wörtlich plagiiert aus meist deutschen Übersetzungen arabischer Autoren. Ein weiteres Drittel ließe sich, so Rotter, leicht als Paraphrase oder Nacherzählung aus anderen Quellen identifizieren. Das Ganze selbstverständlich ohne Quellenangaben. Der Rest bestehe aus „eigenen Interpretationen und Erfindungen, wobei primitive Vorurteile, einfältig Banales und schlichter Unsinn eine groteske Verbindung eingegangen sind“.

Regelrecht die Sprache verschlug es Rotter, als er feststellte, daß Konzelmann auch aus den Märchen aus „Tausendundeiner Nacht“ abgeschrieben hatte, um seinen Lesern die Geschichte der Khalifen näherzubringen. Man stelle sich vor, so Rotter, ein arabischer Auslandskorrespondent lebt ein paar Jahre in Bonn, sei daselbst unfähig, auch nur eine Zeile Deutsch zu lesen, und kehrt als gefeierter Deutschland-Experte nach Kairo zurück. Dort nehme er „Grimms Märchen“, dazu das „Nibelungenlied“ (beides in arabischer Übersetzung) sowie eine „Geschichte des deutschen Mittelalters“ von einem arabischen Gelehrten — mische alles durcheinander und verkaufe den ganzen Unsinn als Sachbuch. Die Rede wäre dann von männermordenden Krimhilds, Tarnkappen und geilen Zwergen, die sich um die Gunst Schneewittchens mit frei erfundenen Bibelworten streiten würden.

Mit akribisch zusammengesuchten Textstellen, die Konzelmanns Raubzüge durch die wissenschaftliche Literatur belegen, setzt Rotter einen vorläufigen publizistischen Endpunkt unter die Affäre des „Khalifen von Stuttgart“, wie der Spiegel Konzelmann getauft hatte. Rotters Liebe zum Detail macht auch nicht halt, wenn er versucht, den Nachweis zu führen, daß der „intimste Kenner Arabiens“ (Klappentext zu Konzelmanns Buch „Die großen Khalifen“) des Arabischen wohl kaum mächtig sei. Genüßlich deckt der ehemalige Direktor des Orient-Instituts in Beirut auf, wie sich Konzelmann in den Widrigkeiten der arabischen Genitiv-Verbindung oder Pluralbildung verhedderte. Das Ganze nicht ohne einen oberlehrerhaften Unterton, denn: einem Erstsemester, der wie Konzelmann die Pluralbildung nicht beherrscht, dem würde Rotter dringend empfehlen, das Fach zu wechseln.

Auch die kleinen historischen Fallen, in die Konzelmann, Träger des von Lothar Späth überreichten Verdienstkreuzes, offenbar tappte, entgehen Rotter nicht. „Gebrühter Kaffee war das Getränk, das zu dieser Zeit populär wurde in Arabien. Omar trank mehrere Kannen täglich“, schreibt Konzelmann über Omar, den zweiten Regierungsnachfolger nach dem Propheten Muhammad. Schade nur, daß Omar Mitte des siebenten Jahrhunderts regierte, während der Kaffee als Getränk erst einige Jahrhunderte später auf der arabischen Halbinsel bekannt wurde. Vielleicht hat Konzelmann selbst nicht genug von diesem belebenden Gebräu getrunken, als er sich eines Morgens an seinen Text machte. Rotter jedenfalls sind derartige Kleinigkeiten nicht entgangen.

Beim Lesen kann man sich kaum des Eindrucks erwehren, daß Rotter späte Rache an Konzelmann nimmt, der sich ja zu einem großen Teil auch aus Rotters Werken, wie dessen Übersetzung des frühen arabischen Geschichtsschreibers Ibn Ishak, bedient hat.

Doch warum kommt die Rache so spät, Herr Rotter? Fast schon zu spät. Tausende von Lesern haben Konzelmanns Bild über Orient und Araber bereits übernommen. Sein Buch „Allahs Schwert“ wurde in zehn Monaten 40.000 mal verkauft, durchschnittlich 200 mal an jedem verkaufsoffenen Tag. Und das ist nur eines von rund 24 Sachbüchern und zwei historischen Romanen, ganz abgesehen von seinen Fernseharbeiten, die der populäre Journalist verbrochen hat. Grund genug für die redlichen Nahostexperten, sich mit einem solchen Machwerk zu befassen. Sicherlich, wer die Klappentexte von Konzelmanns Büchern liest, dem kommt das kalte Grausen: „Der große Kenner der arabischen Szene zeigt Entwicklungen auf, die in ihrer ungeheuren Tragweite nur zu erahnen sind. Für 130 Millionen Araber ist in ihrem politischen Kampf der islamische Glaube die Ideologie ihres Handelns. Für die Erreichung dieses Ideals sind sie bereit, zu ,Märtyrern‘ und Mördern zu werden“, heißt es dort etwa auf Konzelmanns Buch „Allahs neues Weltreich“. Nun, so sind sie, „die Araber“. Da stellt man das Buch lieber wieder zurück ins Regal.

Rotter und der kleinen Gemeinde bundesdeutscher Wissenschaftler, die sich mit dem Nahen Osten oder dem Islam beschäftigen, geht es sicherlich nicht anders. „Es gibt Autoren, deren Bücher ich bis vor einem Jahr aus Prinzip nicht las“, gibt Rotter freimütig am Anfang seines Buches zu. Und mit typisch wissenschaftlich hochstehender Nase fügt er hinzu: „Dazu gehören in erster Linie die Bücher jener Zeitgenossen, die sich im Fernsehen als Experten feiern lassen, deren Äußerungen aber dem Fachmann hinlänglich zeigen, daß sie bestenfalls Halbwissen von der betreffenden Materie besitzen.“

Der Fachmann Rotter muß sich fragen lassen, warum er Konzelmanns Bücher erst so spät aufschlug und so zu seinem déjà vu-Erlebnis kam. Vielleicht hätte man die Affäre Konzelmann viel früher lostreten, der Frage des Großplagiats früher auf den Grund gehen können.

Jemand, der das bundesdeutsche Araberbild so wie Konzelmann bestimmt, sollte von einer Wissenschaft, die sich mit dem Islam oder dem Nahen Osten beschäftigt, ernst genommen werden. Der Hinweis, daß man es eh besser weiß, reicht dabei nicht mehr. Da müssen sich Herr Rotter und mit ihm die kleine Schar der Islam-Wissenschaftler, Arabistik-Professoren und Nahost-Politologen an die eigene Nase fassen. Anstatt sich von den Medien übergangen zu fühlen und sich, wie in den Zeiten des Golfkrieges, beleidigt zurückzulehnen, sollten die Nahost- Gelehrten (denn um Männer handelt es sich hier meistens) von ihrem Elfenbeinturm herunterkommen und den „Experten“ vom Schlage Konzelmanns auf die Finger sehen.

Zugegeben: kein einfaches Unterfangen. Das Bild des „aggressiven Islam“ läßt sich dieser Tage einfacher an die Medien verkaufen als komplizierte Sachverhalte. Der Dreiminutentakt des Fernsehens und Radios lechzt nun mal mehr nach einfachen Feindbildern. Da gewinnen die Fernsehkhalifen Konzelmann und Scholl-Latour bestimmt noch so manches Fernsehduell gegen die bedächtige Wissenschaft.

Trotz alledem und gerade in Zeiten, in denen der Islam das Feindbild des „bösen Russen“ abzulösen droht, kann die Devise nur lauten: Dranbleiben und nicht aufgeben, Herr Rotter!

Gernot Rotter: „Allahs Plagiator — Die publizistischen Raubzüge des ,Nahostexperten‘ Gerhard Konzelmann.“ Palmyra Verlag, Heidelberg 1992, 176Seiten, ca. 24DM.