Neu im Kino

■ Heilige Nutte

Fassbinder hatte einen Traum, damals, Anfang der 70er Jahre, den Traum, mit seiner Gruppe „antiteater“ nicht nur eine Arbeits-, sondern auch eine Lebensgemeinschaft zu bilden. Dieser Traum schlug um ins große Grausen. Statt einer unter anderen zu sein, unter Peer Raben, Hanna Schygulla, Kurt Raab, wurde Fassbinder zum autoritären Pappa, nicht, weil er es sein wollte — so sieht er es in einem frühen Interview — sondern weil seine Leute ihn dazu machten.

Von einem Regisseur, der kollektive Zusammenarbeit mit seiner Crew will, und der doch nur der große Diktator sein kann, handelt auch Fassbinders letzte antiteater-Produktion Warnung vor einer heiligen Nutte, die in diesem Jahr erstmals in die Kinos kommt. Die Heilige Nutte — das ist nicht nur der geplante Film, der lockt und sich entzieht, das ist auch der Regisseur und die Crew, alle diejenigen, die sich verkaufen und demütigen, um am Geschäft des Filmemachens teilzuhaben, auf Teufel komm raus.

Wenn ein Film wie The Player das heutige Hollywood ironisch durchschaut, so ist Warnung vor einer heiligen Nutte ein geradezu rührendes Zeitdokument über die Dreharbeiten zu einem bundesdeutschen 70er-Jahre-Western. Und ein gebrochenes Selbstportrait des Filmemachers Rainer Werner Fassbinder.

Die Filmleute, in Spanien stationiert, warten erst auf den Regisseur, ohne den sie nichts sind, und dann auf die nächste Filmförderungsrate aus Bonn, ohne die sie auch nichts sind. Die Zeit vertreiben sie sich mit wechselnden homo- und heterosexuellen Pseusoleidenschaften, mit lächerlichem Psychoterror, mit gekränkten Gefühlen und viel Cuba libre, einem anspielungsreichen Cola- Rumgetränk, das immer in ausweglosen Situationen vom Hotelbarkeeper angefordert wird — also beinah ununterbrochen.

Fassbinder inszenierte die hektische Passivität und hilflose Inspirationsverlassenheit des Filmteams in gewohnter Holzschnitttechnik und mit einer großen Portion Selbstironie (oder entsteht die Ironie durch die 20 Jahre Abstand? Die 70er sind Lichtjahre entfernt): In dem lamentierenden und selbstgerecht philosophierenden Regisseur Jeff (Lou Castell) ist unschwer Rainer Werner selbst zu erkennen, der seinerseits mutig den schmierig-fettigen, kettenrauchenden Herstellungsleiter Sascha spielt. Schließlich wie durch ein Wunder entsteht doch noch der Western, ein unsäglich kitschiges Machwerk, aus dem einen Ausschnitt zu sehen den ZuschauerInnen gegönnt wird.

Dafür also das ganze Drama? Ja, dafür — und heute ist ja zum Glück alles ganz, ganz anders! Cornelia Kurth

Im kl. Haus der Schauburg, 18 Uhr