Tod in Eberswalde — die Polizei sah zu

Während der Schwarze Amadeu Antonio erschlagen wurde, schaute die Polizei tatenlos zu  ■ Aus Eberswalde Bascha Mika

24. November 1990 — eine unruhige, kalte Nacht. Die Polizei wartete förmlich darauf, daß etwas passierte. Sie wußte, daß Jugendliche durch Eberswalde tobten. Eine Imbißbude hatten sie bereits geplündert, einen Sowjetsoldaten angepöbelt. Peter Krabbe wurde zum Sondereinsatz aufs Revier zurückgerufen. Er sollte mit 20 Männern raus, in Wagen, als „Polizeiführer vor Ort“ ihren Einsatz befehligen. Die Skins und Heavys waren derweil in ihrer Disko, dem „Rockbahnhof“. Die Polizei ging in der Nähe in Stellung.

0 Uhr. Krabbe erfuhr per Funk, daß die Bande losziehen wollte. Richtung „Hüttengasthof“, der „Negerdisko“. Er ließ den Wirt benachrichtigen: Lokal schließen. Gäste nach Hause schicken. Krabbe postierte drei Männer bei der „Chemischen Fabrik“. Da mußte die Gruppe vorbeikommen. Die anderen Kollegen ließ er in einer Seitenstraße hinter dem Hüttengasthof warten. Jetzt stand Polizei zu beiden Seiten des Gasthofs — in sicherer Entfernung.

0.40 Uhr. Krabbe sah mehrere Personen ankommen. Wenig später: Ein Schwarzer hatte einen Baseballschläger über den Schädel gekriegt, ein anderer Mosambikaner war durch Messerstiche schwer verletzt, Amadeu Antonio aus Angola totgeprügelt. Dann griff die Polizei ein. Mit „Sondersignal“.

„Es schwebt im Raum“, sagte Richter Kamp gestern im Eberswalder Gerichtssaal, „daß die Polizei versagt hat. Sie war da, und es passierte trotzdem.“ Polzist Krabbe, der vor dem Bezirksgericht Frankfurt/Oder als Zeuge die Ereignisse vom November 1990 geschildert hatte, reagierte nicht. Selbst die fünf jungen Männer, die beschuldigt werden, Amadeu Antonio totgeschlagen zu haben, starrten ihn neugierig von der Anklagebank an.

Was das für Jugendliche gewesen seien, die durch die Stadt gezogen waren, wollte Kamp von dem Zeugen wissen. Der zögerte, setzte zum Sprechen an: „Ss...“, hielt inne, „war mir nicht bekannt.“

Sein Kollege Berkhan allerdings — einer der drei Polizisten, die bei der chemischen Fabrik postiert waren — hatte dem Gericht vor einigen Tagen etwas anderes erzählt. Berkhan: „Wir hatten den Auftrag, Personenbewegungen von Rechtsradikalen festzustellen.“ Krabbe war damals Vorgesetzter von Berkhan. Woher wußte der, was der Chef nicht wußte?

Er hätte damals damit gerechnet, erzählt Krabbe, „daß sich die Gruppe der Polizei stellt und daß es dann zu schweren Gewalttätigkeiten kommt.“ Ob er und seine Leute aber zu ängstlich waren um einzugreifen, oder ob sie gar abwarten wollten, was der aufgeputschte Mob vor dem „Hüttengasthof“ anstellte, um die Schuldigen auf frischer Tat zu ertappen, verschwieg der Polizist dem Gericht.

Der Zeuge sagte auch nichts zu der Frage, ob Berkhan von ihm den dienstlichen Befehl bekommen hatte, „nur zu beobachten“, „auf keinen Fall“ einzuschreiten.

Schließlich hatten Berkhan und seine Kollegen mitangesehen, wie die Skins Schwarze jagten. Krabbe zog sich auf seine fehlende Aussagegenehmigung zu diesem Zusammenhang zurück. Sie soll jetzt vom brandenburgischen Innenminister eingeholt werden.

Der Prozeß wird fortgesetzt.