Lufthansa-Jets unter Billigflagge

■ Hamburger Betriebsrat befürchtet nach Privatisierung Ende des Flugunternehmens/8700 Arbeitsplätze in Gefahr

Ende des Flugunternehmens / 8700 Arbeitsplätze in Gefahr

„Wir befürchten, daß der Lufthansa das gleiche Schicksal widerfährt wie der deutschen Seeschifffahrt.“ Mit dieser finsteren Prognose kommentierte gestern der Betriebsrat der Hamburger Lufthansa, Holger Hagge, den Beschluß des Bundeskabinetts, die Bundesanteile an der Fluggesellschaft nach Öffnung des EG-Binnenmarkts zu verscherbeln. Der Betriebsrat befürchtet, daß westliche Flug-Giganten wie „Delta-Airlines“, „American Airway“ oder „British Airways“ die traditionsreichen Airlines durch Aufkauf liquidieren könnten.

Momentan halten der Bund (32,95 Prozent) und diverse Landesregierungen noch rund 53 Prozent der Lufthansaanteile. Die staatliche Fluggesellschaft unterhält 192 Flugzeuge verschiedener Kategorien — von der Turbo-Prop-Cargo-Maschine bis zum Großraumjet. Allein auf der Hamburger Lufthansa-Werft, wo die Flugzeuge generalüberholt werden, sind 8700 MitarbeiterInnen beschäftigt.

Der Kampf um die Marktanteile in der Luftfahrt ist voll entbrannt, die internationalen Mammutfluggesellschaften überziehen seit Jahren den europäischen Markt mit einem

„Dumpingkrieg“ (taz berichtete). „Teilweise stehen in Frankfurt 15 große US-Delta-Maschinen“, berichtet Hagge. Interkontinentalflüge bietet „Delta“ beispielsweise für 3,2 Cent pro Flugkilometer an. Ihre Gewinne von bis zu 17 Cent pro Flugkilometer fahren die US- Flugmonopolisten im aufgeteilten US-Markt ein. Hagge: „Da kann die Lufthansa nicht mithalten.“ Daher plädiert der Betriebsrat für die sofortige Kündigung des deutsch- amerikanischen Flugabkommens („alte Kriegslast“), das die US-Airlines begünstigt.

Von Privatisierungsplänen hält die Belegschaftsvertretung nichts: „Dadurch wird nicht automatisch eine Effizienzverbesserung erreicht.“ Durch den Golfkrieg habe die Lufthansa enorme Defizite mangels Kundschaft einstecken müssen. Ferner sei die Gesellschaft auf 24 Maschinen sitzengeblieben, die eigentlich verkauft werden sollten. Hagge: „Der Markt an guterhaltenen Gebrauchtflugzeugen ist zusammengebrochen.“ Deshalb sei die Lufthansa gezwungen, überflüssige Jets weiterfliegen zu lassen.

Hinzu kommt laut Hagge, daß es enorme Wettbewerbsverzerrungen

im Wartungsbereich gibt. Während früher im Rahmen des „Atlas Verbunds“ die „Air France“, „Iberia“ und „Al Italia“ ihre Maschinen in die Hamburger Luftwerft zur Inspektion geschickt haben, versucht nun jede kleine Gesellschaft, externe Aufträge zu vermeiden. „Wir

haben jetzt schon Schwierigkeiten, die Luftwerft auszulasten.“

Auch eine Privatisierung könne nicht verhindern, daß sich durch Dumpingstrategien der Druck auf die Lufthansa noch verstärken und sie von den profitablen Routen vertrieben werde. Daher gebe es zwei Varianten: Die privatisierte Lufthansa wird gezwungen, den Betrieb auf defizitären Kurzstrecken einzustellen. Und, so Hagges düstere Befürchtung: „Im wirtschaftlichen

Konkurrenzkampf wird die Sicherheit nicht mehr durchgehalten — denn Sicherheit kostet ihren Preis.“ Oder große Gesellschaften kaufen sich ein, um sich die Linienkonzessionen untern Nagel zu reißen, aber mittelfristig die Lufthansa zu liquidieren. „Es kann doch niemand verhindern, daß Britisch Airways Lufthansa-Aktien an der Börse kauft.“ Holger Hagge zur taz: „Wir machen uns große Sorgen.“ Kai von Appen