Kunst zum Ausschneiden

■ Im Dickicht der Buchstaben: Ein Skulpturen-Rundgang durch die Weserburg in 13 Stationen 4)

Harald Klingelhöllers Buchstabenlabyrinth „Einmal im Leben“ von 1981 ist eine Skulptur aus Wellpappe. Sie besteht aus 15 Zeilen. Die kartonierten, etwa hüfthohen Lettern stehen exakt konturiert aneinandergelehnt in einer Ecke des Museumsraumes. Wie zufällig besetzen sie diesen Ort. Das Material wirkt spröde und farblich zurückhaltend graubraun, die Symbolfolge verschlüsselt. Aber mit dem Betrachten des linear verlaufenden Gebildes kommt man dem Gegenstand näher. Harald Klingelhöller geht von der Sprache aus.

Dieser plastische typographische Wald ist ein Bild von Gedanken. Der Betrachter kann versuchen, sich einzulesen, Licht ins Dickicht zu bringen.

Kann die strenge skulpturale Erstarrtheit ein Bild für lebendige Gedanken sein? Können die stummen Figuren für Sprache und stimmliche Laute stehen? Vielleicht sollten wir uns wieder an die beredte Magie erinnern, die die Buchstaben für uns hatten, als wir gerade lesen lernten. Wieviel Sinn lag in der mühsam entzifferten Schrift einer Leuchtreklame? Welche Geschichten erzählten die eßbaren Buchstaben in der Nudelsuppe? Verborgene Botschaften vermuteten wir in den zufällig entstandenen Mustern.

Von oben gesehen ist das plastische Balkenwerk hermetisch abgeschlossen, aus frontaler Sicht wirkt es filigran und durchlässig. Die formale Ansicht der Arbeit verändert sich durch die 'Beweglichkeit' des Betrachters — ebenso die inhaltliche. Welchen Zugang man auch immer für sich wählt, um eine verborgene Bedeutung zu entdecken, es handelt sich buchstäblich um einen Akt des Lesens und Übersetzens.

Klingelhöllers Skulptur verweist auf die Vieldeutig-

keit des Raumes und die Freiheit der Sichtweise des

Besuchers. Ob dieser sich dem Kunstwerk spielerisch und erforschend nähert, er kann die vielfältigen Wahrnehmungsmöglichkeiten und die Auseinan

hierhin

das foto mit

Buchstabenskulptur

dersetzung mit dem Kunstwerk und sich selbst, bewußt genießen: Einmal im Leben. Christine Breyhan