„Aktion Fluchtweg“ für Kriegsflüchtlinge

■ Aufruf zur Aufnahme bosnischer Flüchtlinge in Berlin

Berlin (taz) — Die Bundesregierung und auch die Länderregierungen scheinen Herzen aus Stein zu haben. Gerade mal 5.000 Kriegsflüchtlinge aus Bosnien will das wirtschaftlich potenteste Land Europas jetzt aufnehmen — angesichts des größten Flüchtlingsstroms seit dem Zweiten Weltkrieg ein zynischer Scherz. Die taz hat sich deshalb entschlossen, ein politisches Signal zu setzen. Zusammen mit den Berliner Grünen und der Berliner Initiative zur Unterstützung der Friedensbewegung im ehemaligen Jugoslawien sowie in Abstimmung mit dem Bund für soziale Verteidigung ruft sie zur „Aktion Fluchtweg“ auf.

In Berlin, das ganze 110 Menschen aufnehmen will, erscheint das Verhalten der Damen und Herren Politiker besonders absurd. Denn das Land Berlin, das in den Jahren 1989 bis 1991 Tausende von Über- und Aussiedlern beherbergte, hat große Unterbringungskapazitäten frei. Allein das Deutsche Rote Kreuz könnte in vier Heimen 600 Menschen unterbringen. Mit der „Aktion Fluchtweg“ will die taz zeigen, daß zumindest die BerlinerInnen dem Flüchtlingselend nicht tatenlos gegenüberstehen.

Wir bitten alle, ob Einzelpersonen, Familien, Kirchengemeinden oder andere Organisationen in Berlin, sich bei uns oder den oben genannten Gruppen zu melden, wenn sie bereit sind, einen oder mehrere Flüchtlinge zu beherbergen. Da es die organisatorischen Möglichkeiten der taz und der beteiligten Gruppen übersteigt, die Flüchtlinge vom Kriegsgebiet bis zu ihrer möglichen Berliner Unterkunft zu vermitteln, wird die „Aktion Fluchtweg“ die Adressen gesammelt an den Senat weiterreichen. Wir hoffen darauf, daß er spätestens dann bereit sein wird, weitere Menschen aufzunehmen, zumindest aber für ihre soziale Betreuung aufkommt.

BerlinerInnen mögen sich bei der „Aktion Fluchtweg“ unter folgenden Nummern melden: taz: Tel. 25902-292 von 9.30 bis 14.00 Uhr; Grüne/AL: 863003-36 von 13 bis 18 Uhr; Initiative zur Unterstützung der Friedensbewegung im ehemaligen Jugoslawien: bitte nur schriftlich, c/o Martin-Niemöller-Haus, Pacelliallee 61, 1000 Berline31

Eine ähnliche Aktion für das Bundesgebiet hat schon vor knapp zwei Wochen der Bund für soziale Verteidigung in Minden ergriffen: Auch er sammelt Adressen von aufnahmebereiten Einzelpersonen oder Gruppen und will sie an die Innenministerkonferenz und an die Wohlfahrtsverbände weiterleiten, sobald 1.000 Privatunterkünfte gefunden sind. Damit soll der Druck auf die Bundesregierung erhöht werden, die Grenzen für die Flüchtlinge zu öffnen und den immer noch bestehenden Visumzwang aufzuheben. „Allein heute haben sich bestimmt 30 Familien oder Einzelpersonen gemeldet, die bereit sind, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen“, so Koordinatorin Sabine Schulz. Insgesamt gibt es bis jetzt 450 freie Plätze für Flüchtlinge, und die Menschen, die sie aufnehmen wollen, haben zum Teil sogar schon regionale oder örtliche Bezugsgruppen gebildet. Weitere 500 Personen unterstützen den Aufruf durch ihre Unterschrift und Spenden. Kontakt: Bund für Soziale Verteidigung, Friedensplatz 1a, Postfach 2063, 4950 Minden, Tel. 0571/29456

Der Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, hat gestern Familien dazu aufgerufen, Kinder aus dem Kriegsgebiet aufzunehmen.

Weitere Organisationen sammeln Spenden für humanitäre Aktionen. Zu nennen ist hier das Komitee für Grundrechte und Demokratie, An der Gasse 1, 6121 Sensbachtal, Spenden: Volksbank Odenwald, 6124 Beerfelden, Stichwort: „Jugoslawien-Hilfe“, Kto. 8024618, BLZ: 50 863 513. Auch die Initiative zur Unterstützung der Friedensbewegungen im ehemaligen Jugoslawien sammelt auf dem Konto der Internationalen Liga für Menschenrechte Spenden: Sparkasse der Stadt Berlin West, Stichwörter: „Frieden in Jugoslawien“ (für die Unterstützung unabhängiger Medien und Friedensgruppen), „Bosnien-Hilfe“ (für Hilfsgüter), Kto: 22002 70005, BLZ: 100 500 00. Wer die Arbeit des UNO-Flüchtlingskommissars (UNHCR) vor Ort unterstützen will, kann Spenden auf das Konto der Deutschen Stiftung für UNO- Flüchtlingshilfe überweisen: Postgiroamt Köln 303030/507, Kennwort: „Jugoslawische Flüchtlinge“ usche/win