Militärbündnis gegen Serbien

Budapest (taz) — Der „Freundschaftsvertrag“ nennt sich „Abkommen über militärische Zusammenarbeit“ und ist seit gestern zwischen den beiden Staaten Bosnien und Kroatien in Kraft. Was aber die Präsidenten Alija Izetbegovic und Franjo Tudjman im Detail ausgehandelt haben, ist bisher noch nicht bekannt. In Pressemitteilungen heißt es lediglich, daß beide Republiken gemeinsam gegen den serbischen Aggressor vorgehen werden, wenn sich die internationalen Bemühungen um ein Ende des Blutvergießens erfolglos erweisen sollten. Weiter wird davon gesprochen, daß Kroatien und Bosnien ein gemeinsames Oberkommando im Kampf gegen die serbischen Truppen bilden werden und die Bürger beider Staaten eine „doppelte Staatsangehörigkeit“ annehmen können.

Ein offenes Geheimnis ist es, daß mit diesem Vertrag nur „legalisiert“ wurde, was schon lange zur Realität in Bosnien gehört: Der Einsatz kroatischer Truppen in Bosnien. Fraglich ist dagegen, ob das Militärabkommen nur als Warnnug an Europa verstanden werden muß, endlich auch auf militärischem Gebiet dem serbischen Aggressor die Stirn zu bieten. Oder ob Bosnien und Kroatien bereits darauf setzen, entscheidende militärische Gegenschläge selbst auszuführen.

Zuversichtlich geben sich die Politiker in beiden Republiken: In einer Erklärung stellten sie fest, daß sie Serbien problemlos besiegen können. Zum einen sei die Kampfmoral auf serbischer Seite tief gesunken, zum anderen verfüge man mittlerweile über das gleiche Waffenarsenal wie die Serben. Gleichzeitig wird aber auch beklagt, daß die Verordnungen der UNO und der Einsatz der UNPROFOR-Truppen allein die serbische Seite begünstigten. Und auch der UNO-Chef für Bosnien, General MacKenzie, stellte fest, daß seine Leute von den meisten Bosniern bereits als „Besatzungsmacht“ und nicht mehr als Friedenstruppe angesehen würden. Bereits mehrmals beschwerte sich der Kanadier über die Unterstellung, daß die UNO eindeutig für die Serben Partei bezogen hätte.

Diese Unterstellung ging jedoch auf einen vielbeachteten Kommentar MacKenzies zurück: Als muslimische Milizen einen UNO-Konvoi mit Waffengewalt anhielten und die Besatzung zwangen, ihre Waffen auszuhändigten, stellte der UNO—General in einem Interview fest: „So eine Aktion starten nur Menschen, die keinen Frieden wünschen, die UNO fort haben wollen und auf Krieg setzen.“

Ob der kroatisch-bosnische „Freundschaftsvertrag“ von langer Dauer sein wird, muß vorerst abgewartet werden. Bekanntlich kontrollieren muslimische Einheiten in Bosnien außer wenigen Strassenzügen in Sarajevo keine Landstriche, sind 60 Prozent des bosnischen Territoriums von serbischen Einheiten „befreit“ und stehen 30 Prozent unter „vorübergehender Verwaltung“ des sogenannten kroatischen Verteidigungsrates in Mostar. Es liegt somit auf militärischem Gebiet einzig in der Hand der Kroaten, ob sie die Muslimanen bewaffnen und mit ihnen eine gemeinsame „Befreiungsaktion“ starten werden oder ob sie, wie immer wieder vermutet, mit den serbischen „Todfeinden“ bereits über eine Aufteilung Bosniens verhandeln.

Wie der kroatisch-bosnische Vertrag tatsächlich umgesetzt werden wird, hängt auch mit den kommenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Kroatien zusammen. Vor dem Urnengang am 2. August muß Präsident Tudjman „seinem Volk“ noch „Erfolge“ vorweisen. Schließlich sind weite Teile seines Landes nach wie vor von serbischen Truppen besetzt, stellt der Flüchtlingsstrom aus Bosnien ihn vor schier unlösbare wirtschaftliche Probleme. Aber auch Izetbegovic läuft die Zeit davon. Kommt es zu keinem baldigen Frieden in Bosnien, wird das menschliche Leid noch unermeßlich größer werden.

Gestern haben sich die Aussichten auf einen baldigen Frieden jedoch nicht erhöht. Die Verteidiger der seit Wochen belagerten ostbosnischen Stadt Gorazde richteten einen dringenden Appell an die Weltöffentlichkeit: „In der Stadt gibt es seit Monaten kein Wasser und keinen Strom, keine Lebensmittel, keine Medikamente mehr. Die Verletzten werden ohne Betäubung operiert. Ihre Schreie sind überall zu hören. Könnt ihr sie auch hören?“ Roland Hofwiler