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Wenn ein Vermieter Funken schlagen will

■ Hausbesitzer ist angeklagt, Gasleitung angebohrt zu haben/ Hintergrund soll Streit mit Mietern sein/ Als sich die Mieter durch Räumungsklagen und andere Schikanen nicht vertreiben ließen, soll er zu einer »explosiven Mischung« gegriffen haben

Moabit. »Versuchte Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion«, so lautet die Anklage gegen den fünzigjährigen Rudolf H. in der Sprache der Juristen. Der Elektromechaniker und Hausbesitzer muß sich seit gestern vor der 11. Strafkammer des Landgerichts verantworten. Ihm wird vorgeworfen, er habe versucht, sein Haus in Prenzelberg in die Luft zu jagen. Für das Verfahren sind zehn Verhandlungstage vorgesehen.

Warum aber will jemand sein Hab und Gut eigenhändig in Schutt und Asche verwandeln? Als er die Mieter des Hauses in der Greifenhagener Straße 44 nicht durch Räumungsklagen, demolierte Briefkästen und verstopfte Abflußrohre vertreiben konnte, soll er zu einem durchschlagenderen Mittel gegriffen haben: In der Nacht vom 22. zum 23. Februar 1992 soll Rudolf H. die Hauptgasleitung des Mietshauses angebohrt und mit einem selbstkonstruierten Ventil Luft eingeleitet haben. Durch den entstandenen Überdruck sei ein Gaszähler im ersten Stock des Hauses explodiert und ein explosives Gemisch von Luft und Gas ausgeströmt. Experten sind sich darüber einig, daß ein Funken genügt hätte, um das Haus in Rauch aufzulösen. Der Angeklagte hat bisher die Aussage verweigert.

»Durch ein lautes Geräusch bin ich wach geworden«, sagte die vierunddreißigjährige Gudrun M., eine von vierundzwanzig MieterInnen, über die Vorfälle in der besagten Nacht aus. Dann habe es am Gaszähler geknackt, und der sei stehengeblieben. Von ihrem Küchenfenster habe sie Rudolf H. über den Hinterhof eilen und in seiner Werkstatt verschwinden sehen. Ein »Klappern« habe sie gehört. Kurz darauf soll der Angeklagte die Werkstatt ohne Jacke aber mit dem Oberteil eines Jogginganzuges wieder verlassen haben. Sie habe sich wieder ins Bett gelegt, aber um 6.50 Uhr sei sie durch ein ähnlich lautes Geräusch wieder geweckt worden. Der Gaszähler sei plötzlich wieder angesprungen. »Ich war auf der Toilette, als es im Flur einen lauten Knall tat.« Der Gaszähler sei explodiert, überall seien die Fetzen rumgelegen, und es habe nach Gas gestunken. Vor der Wohnungstür sei ihr Rudolf H. begegnet, und habe wissen wollen, was hier los ist. Die Mieter retteten sich dann vor der Explosionsgefahr auf die Straße.

Die Verteidigung wollte während der Befragung der Zeugin Gudrun M. darauf hinaus, ob sie denn überhaupt sicher sei, daß sie den Angeklagten in jener Nacht im Hinterhof gesehen habe, und ob es nicht jemand anders gewesen sein könnte. Habe sie bei all dem Müll im Hinterhof und in der Dunkelheit von ihrem Küchenfenster aus den Werkstatteingang denn sehen können. »Über die kleine Müllkippe« habe sie hinweggesehen. Immer wieder versuchte Rechtsanwalt Byscher, die Zeugin zu verunsichern. Sei der Jogginganzug nun hell, grau oder weiß gewesen? Glaube die Zeugin vielleicht nur, einen Jogginganzug gesehen zu haben, weil der Angeklagte eben meist einen solchen trage? Ebenso ging das Spiel mit den sichergestellten Turnschuhen — hell, weiß, grau. Und der Jogginganzug mußte genauer unter die Lupe genommen werden. Der, der da lag, war tatsächlich grau, aber das sei etwas anderes als hell oder weiß, so der Rechtsanwalt Byscher. Aber die Taktik der Verteidigung ging nicht auf, Gudrun M. blieb bei ihrer Aussage. Die Vorsitzende Richterin Beyer fragte schließlich: »Können wir den Jogginganzug jetzt wegpacken? Der müffelt hier vorne so ein bißchen vor sich hin.« Der Prozeß wird am Montag fortgesetzt. Ralf Knüfer

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