UNO-Konvoi fährt nach Gorazde

■ Hilfsgüter sollen die Lage in der seit Wochen umlagerten bosnischen Stadt östlich von Sarajevo erleichtern/ UNO-Generalsekretär Ghali kritisiert Verhalten der EG bei Friedensbemühungen

Sarajevo (AP) — Seit Wochen ist sie belagert und wird ununterbrochen bombardiert — die bosnische Stadt Gorazde, östlich von Sarajevo. Wiederholt hatten die Bewohner über Radio dramatische Hilferufe in die Welt gesandt und auf ihre aussichtlose Lage aufmerksam gemacht.

Gestern wurden ihre SOS-Rufe endlich erhört. Ein vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) zusammengestellter Konvoi mit Hilfsgütern hat sich von Sarajevo aus auf den Weg nach Gorazde gemacht.

Auf seiner 50 Kilometer langen Fahrt wird der aus drei Lastwagen bestehende Trupp von einem Schützenpanzerwagen begleitet. Ziel der Aktion sei vor allem, festzustellen, ob es überhaupt möglich sei, in die Stadt zu gelangen, sagten UNHCR- Mitarbeiter. Wenn ja, wolle man jetzt endlich die Lieferungen von Medikamenten und Lebensmitteln vorbereiten.

Denn während es gestern in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo relativ ruhig war, gingen nach Angaben von Radio Sarajevo die schweren Gefechte um Gorazde erbittert weiter. Bisher hätten zwar die moslemischen Verteidiger alle serbischen Angriffe abwehren können. Dennoch sei die Lage in der Stadt kritisch. Vor allem die Versorgung der rund 70.000 Menschen sei prekär, hieß es.

Seit zwei Monaten gibt es in Gorazde weder Wasser und Strom, noch Lebensmittel, Medikamente oder Ärzte. Außerdem hatten sich die Serben bisher geweigert, Hilfstransporten nach Gorazde zuzustimmen.

Unterdessen hat die Europäische Gemeinschaft beschlossen, beim Bemühen um Frieden im früheren Jugoslawien künftig enger mit der UNO zusammenarbeiten. Das hatte in der Nacht zum Donnerstag der britische Außenminister und EG-Ratspräsident Douglas Hurd bei einem Treffen mit UNO-Generalsekretär Butros Ghali in New York verabredet. Künftig soll die UNO bei allen Friedensgesprächen der EG vertreten sein.

Dennoch konnte Hurd die Kritik von Butros Ghali am Verhalten der EG nicht völlig beseitigen.

Der UNO-Generalsekretär hatte sich insbesondere über die bei den Friedensgesprächen in London vereinbarte Regelung geärgert, wonach die UNO die schweren Waffen der am Krieg beteiligten Gruppen überwachen solle.

Butros Ghali fürchtet, daß die UNO dadurch allmählich in den Jugoslawien-Konflikt hineingezogen werden könne. Außerdem verfüge er nicht über die Kapazitäten zur Erfüllung dieser Aufgabe, die ihm aufgezwungen werde, hatte er bemängelt.

Gestern abend wollte auch der UN-Sicherheitsrat über den Bericht des Generalsekretärs beraten. Einige seiner Mitglieder hatten zuvor angekündigt, den Bericht per Abstimmung zurückzuweisen. BZ