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Kinderseelen werden gebrochen

■ Erneut schwere Vorwürfe gegen Scientology: Elfjähriges Mädchen wird täglich mehrere Stunden in die Sauna geschickt / "Auditing ist Kindesmißhandlung" Fast immer Kinder von Scientologen / Jugendämter sollen...

: Elfjähriges Mädchen wird täglich mehrere Stunden in die Sauna geschickt /

»Auditing ist Kindesmißhandlung« / Fast immer Kinder von Scientologen / Jugendämter sollen eingreifen

Die „Scientology“-Organisation bemüht sich offenbar, auch Kinder und Heranwachsende einer Gehirnwäsche („Auditing“) zu unterziehen. Gestern präsentierten die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Ursula Caberta und die Bundesvorsitzende von „Robin Direkt“, Renate Hartwig, entsprechende Beispiele.

Charlotte Henning, Großmutter

von zwei Kindern, schilderte ihre Erfahrungen mit ihrer elfjährigen Enkelin. Das Mädchen hatte schon mehrere Kurse bei „Scientology“ absolviert, zu denen auch dreistündige Saunagänge gehören. Nach einem solchen Saunabesuch sei ihre Enkelin völlig apathisch und kaum ansprechbar nach Hause gekommen. Auf die Frage, was mit ihr los sei, habe das Mädchen geantwortet, „ich bin nicht in meinem Körper“, und „mein Geist schwebt an der Decke“.

Ähnliches hatte die Elfjährige auch gegenüber einem Kinderfacharzt geäußert. Ihm wurde das Mädchen zur pädiatrischen Begutachtung vorgestellt. In einem Schreiben an einen Rechtsanwalt faßte der Arzt dieses Gespräch zusammen. Das Mädchen habe „eifrig, fast missionarisch“ von den Kursen berichtet, die es jeden Nachmittag bei „Scientology“ besuche. Sie habe vom „Auditing“ erzählt und dem Reinigungskurs, bei dem sie täglich drei bis fünf Stunden in der Sauna sitze. Vor der Sauna habe sie Medikamente („Niacin“) verabreicht bekommen, damit „ihr Körper entgiftet wird“. Einmal habe man sie sogar aus der Sauna heraustragen müssen, weil sie zusammengebrochen sei. Sie habe geschrien, sich „von oben gesehen“, wie „wenn man gestorben ist“.

Der Kinderarzt hatte den Eindruck, daß das Mädchen den Kontakt zu „Scientology“ als „große Belastung“ empfand. Aufhören aber könne sie nicht: „Papa hat so viel Geld für mich da 'reingesteckt; ich muß das zu jetzt zu Ende machen.“ „Meines Erachtens“, so resümiert der Arzt, „ist das Mädchen in einer dem Alter völlig inadäquaten Weise körperlich und geistig überfordert, was auf die Dauer immer einen schädigenden Einfluß hat.“

Für die „Robin-Direkt“-Vorsitzende Renate Hartwig ist dieser Fall nur „einer von Hunderten“. Fast immer handele es sich dabei um Kindern von Scientologen. Hier würde „ein Holocaust“ an Kindern begangen, den sich keiner vorstel-

len könne. „Kinder, die in die Fänge von Scientology geraten, werden zu lebenden kleinen Robotern gemacht.“ Das Produkt dieser „Erziehung“ wären „emotionslose, erfolgsbetonte und Ich-bezogene Wesen“. Den Kinderschutzbund und die Jugendämter forderte sie auf, gegen die Behandlung von Kindern durch „Scientology“ vorzugehen. Denn „Auditing ist Kindesmißhandlung“, sagte Frau Hartwig. Norbert Müller

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