Chance für schwache Schüler

■ Wer finanziert die Produktionsschule? / Konzepte für benachteiligte Jugendliche fehlen

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Konzepte für benachteiligte Jugendliche fehlen

Die Kritik an der SPD-Jugendpolitik reißt nicht ab. Nachdem in der vergangenen Woche eines der Autoknacker-Kids in den Tod gerast war, entschied das zuständige Amt, ein mobiles Krisenzentrum einzurichten. Während die einen bejubeln, daß Hamburg endlich handelt, sprechen andere von einem publikumswirksamen „Schnellschuß“. Hier werde in spektakulärer Weise eine Entschlußkraft demonstriert, die bei anderen zu treffenden Entscheidungen oft fehle, meint Thomas Johanssen, Lehrer und Mitglied eines Vereins, der sich für die Einführung eines neuen Schultyps speziell für benachteiligte Jugendliche in Hamburg stark macht.

Statt vieler Einzelmaßnahmen müßten nun Konzepte zur Betreuung junger Randständiger her. Teil davon könnte die von Johanssen und anderen Berufsschullehrern entwickelte Produktionsschule sein. Die Idee stammt aus Dänemark. Dort erwerben die SchülerInnen durch die Produktion von Waren handwerkliches Können und trainieren dabei überdies Durchhaltevermögen und Eigenverantwortlichkeit. In Kursen werden quasi nebenbei andere Kenntnisse, wie zum Beispiel Lesen und Rechnen, ausgebaut. Die Produkte werden zu Marktpreisen verkauft. Die „Schüler-Mitarbeiter“ erhalten circa 500 Mark Monatslohn. Der Erfolg der Produktionsschulen ist groß. Drei Viertel der Absolventen bekommen einen Job.

Ginge es nach den Plänen des Vereins, könnte der Modellversuch schon zum 1. August 1993 mit 90 Jugendlichen beginnen. Doch in diesem Fall läßt es der Senat an Entschlußfreude mangeln. Obwohl Gewerkschaften, Arbeitsamt und einige große Betriebe die Idee nachdrücklich unterstützen, hat die stadtstaatliche Regierung noch kein Geld gewährt, monieren die Produktionsschul-AnhängerInnen. Stattdessen sollen nun private Sponsoren aus der Wirtschaft rekrutiert werden.

1Das Interesse der heimischen Betriebe an der Produktionsschule ist deshalb so groß, weil diese jungen Arbeitslosen eine Qualifizierungsmöglichkeit bieten würde. In Zeiten der Lehrlingsknappheit müssen Unternehmen zunehmend auf „schwächere“ Jugendliche zurückgreifen. Da käme der neue Schultyp

1gerade recht. Zumal die Hamburger Berufsvorbereitungsklassen, die jedes Jahr immerhin 2000 SchülerInnen aufnehmen, nicht sehr erfolgreich sind.

Doch als Hauptfinanciers wollen die Unternehmen nicht auftreten. „Niemand will sich eine Langzeit- Verpflichtung einhandeln“, so Jo-

1hanssen. Ulrich Vieluf, Sprecher der Schulbehörde, sieht hingegen Chancen, das Projekt mit privater Hilfe auf die Beine zu bringen. Ungehalten reagierte Vieluf auf das Ausspielen von Krisenzentrum versus Produktionsschule: „Eine unzulässige Vermengung verschiedener Bereiche.“ Sigrun Nickel