„Ausgerutscht“, „zusammengebrochen“, „gestoßen“, „Selbstmord“

■ Neben den prominenten Opfern von Polizeibrutalität gibt es eine große Zahl „namenloser“ Häftlinge, die kurz nach ihrer Verhaftung in ihren Zellen tot aufgefunden wurden

Steve Biko wurde im August 1977 verhaftet. 26 Tage später war der charismatische schwarze Oppositionsführer tot. Eine Obduktion befand, daß er durch einen Schlag auf den Kopf getötet wurde. Einer der Polizisten, die Biko, nackt und an Händen und Füßen gefesselt, verhört hatten, sagte vor Gericht aus, daß der Häftling sich an einer Wand gestoßen hätte.

Biko ist das wohl bekannteste Opfer der Polizeibrutalität, das in den Zellen der südafrikanischen „Ordnungshüter“ ums Leben kam. Über hundert weitere politische Häftlinge starben auf ähnliche Weise, erhängten sich, stürzten sich aus Fenstern, rutschen in Duschen auf Seife aus. Aber die Zahl der politischen Fälle wird in den Schatten gestellt durch die vielen „normalen“ Häftlinge, die kurz nach ihrer Verhaftung tot aufgefunden wurden.

Der jüngste Fall ereignete sich am Sonntag. Der zwanzigjährige Bongani Makhubela wurde in Vosloorus, einem Wohnort für Schwarze, östlich von Johannesburg, verhaftet. Er wurde verdächtigt, eine Schußwaffe gestohlen zu haben. In der Polizeiwache sei er „zusammengebrochen und gestorben“, sagte eine Sprecherin der Polizei. „Da es bisher noch keine Indizien dafür gibt, daß Makhubelas bedauernswerter Tod auf ein Verbrechen zurückzuführen ist, ist bisher noch gegen niemanden ermittelt worden.“ Es würde jedoch eine Obduktion durchgeführt werden, deren Ergebnisse dem Staatsanwalt vorgelegt würden.

Ob den Befunden der staatlichen Obduktionsärzte zu trauen ist, ist allerdings zu bezweifeln. Ihm sei noch nie ein Fall untergekommen, in dem die Polizei für den Tod eines Häftlings verantwortlich gewesen sei, erklärte Chef-Pathologe und Staatsarzt Professor Johan Laubscher am Montag. Immerhin begingen viele Häftlinge Selbstmord. „Das geschieht in allen Rechtssystemen der Welt“, so Laubscher. „Aber Südafrika ist für dieses Problem besonders anfällig.“ Ein zweiter Staatsarzt sprach von „ein oder zwei Fällen“ von Mißhandlung durch die Polizei. Das Gesundheitsministerium erklärte, daß es nicht Aufgabe der Ärzte sei, die für den Tod Verantwortlichen zu finden. „Die einzige Aufgabe des Pathologen ist es, die Todesursache festzustellen.“

Dagegen meint Dr. Jonathan Gluckman, daß von den über 200 Todesfällen, die er als unabhängiger Pathologe untersucht hat, 90 Prozent der Polizei anzulasten sind. Der Tod des 19jährigen Simon Mthimkulu brachte für Gluckman das Faß zum überlaufen. Vor zwei Wochen wurde Mthimkulu zusammen mit drei Freunden in Sebokeng südlich von Johannesburg verhaftet. Mthimkulus drei Freunde wurden freigelassen. „Ich bin zur Polizeistation in Sebokeng gegangen, um ihnen zu sagen, daß Simon nicht nach Hause gekommen ist“, erzählt Mapeseka Mthimkulu, die Mutter des Jugendlichen. „Die Polizisten sagten, sie wüßten nicht, wo er sei, und baten mich um ein Foto des Jungen.“ Zwölf Stunden nach seiner Verhaftung wurde Mthimkulu in einem Feld bei Sebokeng tot aufgefunden.

In seiner vergeblichen Korrespondenz mit Hernus Kriel, dem Minister für Recht und Ordnung, und mit Staatspräsident Frederik de Klerk, hat Gluckman mehrere willkürlich aus seiner über 200 Fälle umfassenden Kartei gewählte Beispiele aufgeführt: Columbus Maqobo war bei seiner Verhaftung im Juli letzten Jahres in Sebokeng kerngesund. Am selben Tag erfuhren Familienmitglieder von der Polizei in Sebokeng, daß Maqobo von der Polizei im benachbarten weißen Ort Vanderbijlpark getötet worden war. Er war erstickt. Armstrong Yesake starb im August letzten Jahres an einer „massiven Gehirnblutung“. Er hing an einem Strang in einer Zelle des Modder-Bee-Gefängnisses bei Johannesburg. Gluckman glaubt, daß er tot war, bevor er aufgehängt wurde. David Mokgalaka starb im November, nachdem ihm eine Kugel in den Kopf und eine in die Brust gejagt worden war. Zeugen berichten, daß er in der Polizeiwache von Louis Trichardt im Norden der Provinz Transvaal zusammengeschlagen wurde. Duke Senne aus Rockville in Soweto starb im Januar dieses Jahres nach „brutaler Mißhandlung“. Zeugen behaupten, daß er in der Moroka Polizeistation in Soweto zusammengeschlagen wurde.

Nicht alle Opfer von Mißhandlung durch die Polizei sterben. Im Mai 1992 wurde die Johannesburger Büroangestellte Kathleen Brookstein wegen Diebstahls verhört. Sie behauptet, von drei Fahndern ausgezogen, sexuell mißhandelt, mit elektrischen Schocks gefoltert und stranguliert worden zu sein. Es wurde keine Anklage gegen sie erhoben.