»Türkenzentrum« steht vor dem Aus

■ Explodierende Gewerbemieten: Neuköllner Kulturverein kann Miete nach Eigentümerwechsel nicht mehr bezahlen/ Senat streicht die Zuschüsse

Neukölln. Dem »Türkenzentrum e.V.« in der Neuköllner Schinkestraße wächst die Miete über den Kopf: Nach 14 Jahren Kultur- und Jugendarbeit steht der Verein seit gestern ohne Mietvertrag da. Zum 31. Juli 1992 wurden ihm die Räumlichkeiten gekündigt. Mit den neuen Eigentümern, den Gebrüdern Cukiermann, die das Haus im letzten Jahr erworben hatten, konnte man sich nicht über die Höhe der Gewerbemiete einigen. Die neuen Eigentümer fordern anstatt der rund 2.000 DM Warmmiete pro Monat jetzt eine Summe von 5.600 DM kalt.

Bisher hatte die Senatsverwaltung für Soziales 90 Prozent der Miete übernommen. Angesichts der gespannten Finanzlage und da der Senat die »Miettreiberei« nicht unterstützen wolle, so Pressereferent Wolgang Zügel, könnten die notwendigen Mittel vom Senat nicht zur Verfügung gestellt werden.

Das »Türkenzentrum« habe zwar mit der Hausverwaltung »Quadrat« verhandelt, sagte Vorstandssprecher Aydin Gürer gestern, aber zu einer finanzierbaren Lösung sei man nicht gekommen. Das Zentrum decke durch Mitgliederbeiträge, Spenden und die gelegentliche Vermietung der Räume für Hochzeiten gerade mal die laufenden Kosten. Mehr als 300 DM könne auch in Zukunft für die Miete aus eigener Kraft nicht aufgebracht werden. Obwohl beim Amtsgericht Neukölln bereits ein Antrag auf Räumung eingegangen sei, wolle der Verein nicht freiwillig weichen. Schließlich handele es sich bei den Forderungen um »ein weiteres Beispiel für Mietwucher und Spekulantentum« in Berlin.

Pressereferent Wolfgang Zügel erklärte, daß die Verwaltung dem »Türkenzentrum« lediglich das »großzügige Angebot« habe machen können, die Miete bis zum Jahresende zu übernehmen. Diese Zeit könne der Verein nutzen, um entweder ein anderes Projekt zu finden, das bereit sei, die Räumlichkeiten zu teilen oder nach anderen Räumlichkeiten Ausschau zu halten. Grundsätzlich aber sei auch die Sozialverwaltung daran interessiert, das Zentrum in der Schinkestraße zu halten. Das Angebot hat der Verein bisher abgelehnt. »Damit wird das Problem nur vertagt«, erklärte Aydin Gürer. Es sei zwar möglich, die Räume tagsüber mit einem anderen Projekt zu teilen und damit die Mietkosten zu senken, aber danach habe man bereits fünf Monate vergeblich gesucht. Deswegen wolle man sich nicht auf das »befristete Hilfsangebot« einlassen. Für »so gut wie unmöglich«, hält es Aydin Gürer, vergleichbare Räume bei »der derzeitigen Mietenexplosion« in Neukölln zu finden.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung, Hans Schulze, fordert vom Senat Unterstützung für den Verein: »Zu viele Projekte fallen den hohen Mieten zum Opfer.« Wenn das Türkenzentrum verschwinde, bliebe zum Beispiel rund 40 Jugendlichen nur der Weg auf die Straße: »Dann hängen sie gelangweilt am Kottbusser Tor herum und kommen auf dumme Gedanken.« Die Sozialverwaltung will am kommenden Dienstag die beteiligten Parteien an einen Tisch bringen. Ralf Knüfer