Senat spielt Reise nach Jerusalem

■ Der Regierende Bürgermeister muß nach der Sommerpause eine Entscheidung über Senatsumbildung fällen/ Gerüchte um Verkleinerung

Berlin. 22 schwarze Ledersessel mit Chromgestell hat sich die Landesregierung angeschafft. 1.972 Mark wurden pro Stück verausgabt, damit die Senatoren bei ihrer dienstäglichen Sitzung auch in der Lage sind, »den Rückenneigungswiderstand je nach Körpergewicht« einzustellen. Die »atmungsaktiven« Sitzmöbel könnten für einige in der Runde allerdings schon bald zum Schleudersitz werden, denn hartnäckig halten sich die Gerüchte, daß der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen die Regierungsmannschaft verkleinern wird. Spekuliert wird nicht mehr über das Ob, sondern nur noch über das Wann der Maßnahme und darüber, wen es treffen soll.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Ditmar Staffelt, hat die Debatte über Personalien mit seiner nachhaltigen Kritik an Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) ins Rollen gebracht. Die Sozialdemokraten reiben sich an dessen autogerechter Politik, doch auch bei den Christdemokraten sorgte der Professor wegen seines häufig unvorbereiteten Vorgehens für Verärgerung. Kritik wegen lascher Amtsführung mußte sich auch Innensenator Heckelmann gefallen lassen. Die Reform der Verwaltung wurde ihm bereits aus den Händen genommen. Staffelt und sein Koalitionskollege Klaus Landowsky übertrugen sich im Juni selbst diese Aufgabe. Sie wollten bis zur Sommerpause die entsprechenden politischen Vorgaben formulieren, doch sind auch sie bis heute zu keinem Ergebnis gekommen.

In der Reihe der eigenen Senatoren sehen die Sozialdemokraten keinen Grund zum Austausch. Allerdings ist Staffelt bewußt, daß die CDU einem Revirement, das nur ihre Senatoren trifft, nicht zustimmt. Die Christdemokraten haben von daher seit Wochen Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) wegen Berlins »fideler Knäste« aufs Korn genommen. Unzufrieden ist man bei der CDU zudem mit Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD), dem auch so mancher aus der SPD als Finanzsenator die größeren Fähigkeiten nachsagt. Doch einen Ämtertausch mit Pieroth, dem die SPD sein lasches Auftreten in Bonn vorhält, würden die Sozialdemokraten nicht zustimmen. Sie sind froh, daß das unpopuläre Finanzressort bei der CDU angelagert ist.

Die CDU hat sich erst vor fünf Wochen, wie zuvor die SPD, für eine Verkleinerung des Senats ausgesprochen. Allerdings machte sie keine zeitlichen Vorgaben. Ein Datum wurde Diepgen allerdings bereits gesetzt. Mitte September findet ein CDU-Sonderparteitag statt, auf dem die Konsequenzen aus den desolaten Ergebnissen der Bezirkswahlen gezogen werden sollen. Es wird dann auch beraten, ob Diepgen weiterhin Parteivorsitzender bleibt. Um sich den Delegierten als starker Mann präsentieren zu können, muß er bis dahin die Personaldebatte beendet haben. Innerhalb der nächsten sechs Wochen wird er sich folglich entweder demonstrativ hinter die bestehende Mannschaft stellen oder sie umbauen. Letzteres bedeutet einen Kraftakt, den ihm die wenigsten zutrauen, soll der Senat nicht nur reduziert, sondern auch mit neuen Kräften aufgefrischt werden. Dann müßte Diepgen nicht nur für Ausgewogenheit zwischen den Interessen von SPD und CDU sorgen, sondern auch das schwierige Ost-West-Verhältnis neu austarieren. Denn auch bei den Ost-Senatoren gibt es Auswechselkandidaten.

Schwierigkeiten wird eine Neubesetzung der Landesregierung auch der SPD bereiten. Denn dort wird bereits gemutmaßt, daß Staffelt die ganze Personaldiskussion losgetreten hat, um sich selbst für ein höheres Amt ins Gespräch zu bringen. Damit würde er bereits jetzt seine Ausgangsposition für die kommenden Abgeordnetenhauswahlen einnehmen. Ein solcher Schritt wird jedoch von seinem parteiinternen Konkurrenten um die Spitzenposition, Walter Momper, nicht hingenommen. Dieter Rulff