Kein Draht für die Gerechtigkeit

■ Leipziger Koordinator des Komitees für Gerechtigkeit gab Dienstnummer an/ Bürgermeister suspendierte ihn

Leipzig (taz) — Bislang hat der Wirbel um die Gründung der Komitees für Gerechtigkeit die LeipzigerInnen nicht groß gekümmert. Während in Dresden und Halle schon zu Gründungsversammlungen gerufen wird, regt sich in der einstigen „Heldenstadt“, wo so laut wie nirgens nach dem Retter aus dem Westen geschrien wurde, nichts. Die örtliche PDS fühlt angesichts des Engagement ihres Übervaters zwei Seelen in ihrer Brust — nach dem Motto: Recht hat er ja, aber gehen wir nicht dabei vor die Hunde?

Einige versprengte Bürgerbewegte geißeln zornig die Mesalliance Gysi/Diestel, wittern darob alte Seilschaften — und die BürgerInnen schweigen. Oder sind zufrieden, wie man im Rathaus glaubt: Laut jüngster Bürgerumfrage, so das Amt für Statistik und Wahlen, blicken 80 Prozent der Leipziger optimistisch in die Zukunft. Rudolf Ahnert (CDU), Stellvertreter des Bürgermeisters, verkündet denn gelassen: „Wir brauchen kein Komitee. Leipzig geht's doch gut.“

„Blanker Hohn!“, mußte sich da Hans-Joachim Brustmann gesagt haben. Schließlich stünde hier doch wirklich nicht alles zum Besten, wie er, seit geraumer Zeit in der Bürgerberatung tätig, bemerken konnte. Dann nahm Herr Brustmann die Sache in die Hand, alarmierte die lokale Bunt-Presse und diktierte den Reportern in den Block: Jetzt gibt's auch in Leipzig eine Adresse für Gerechtigkeit, nämlich ihn, Brustmann! Der frischgebackene Komitee-Gründer, langjähriger Rathaus-Angestellter und nun Sachgebietsleiter für Bürgerberatung, machte allerdings einen Fehler. Als Kontaktnummer gab er seine Dienstnummer im Rathaus an. Noch bevor er freudestrahlend bekanntgeben konnte, daß sich über zwanzig Leipziger bereits gemeldet hatten, war die Leitung tot. Bürgermeister-Vize Ahnert ließ nach der morgendlichen Zeitungslektüre sofort die Rathaus-Nummer sperren und suspendierte Brustmann vom Dienst. Begründung: Ein Mitarbeiter des Rathauses könne nun mal nicht sein Diensttelefon und seine Dienstzeit für Privatangelegenheiten nutzen. Mittlerweile scheint Ahnert nicht mehr wohl in seiner Haut, weshalb er schnell verlautbaren ließ, daß er mitnichten die Aktivitäten des Komitees unterbinden wolle. Herr Brustmann werde wohl mit einer Abmahnung davonkommen.

Brustmann findet dies alles andere als gerecht und plädiert in seiner neu erworbenen Opfer-Rolle nun erst recht für die Gerechtigkeit. Allerdings nicht privat: Sein Telefon hat er abgeschaltet. Nana Brink