Bruderschaft gegen Ungerechtigkeit

Die Ungerechtigkeit fing beim Skatspiel auf Jalta an/ Nur eine neue Initiative kann helfen  ■ Aus Erfurt Henning Pawel

In Thüringen wurde am vergangenen Wochenende die „Bruderschaft gegen Ungerechtigkeit“ gegründet.

Die Initiative, eine parteienübergreifende, mehrere hundert Köpfe umfassende Gruppe von PolitikerInnen, stellte der Öffentlichkeit Dokumente aus sowjetischen Geheimarchiven vor, mittels derer nun der eindeutige Nachweis geführt werden kann, daß der ostdeutschen Bevölkerung schon 1945 schwerstes Unrecht widerfuhr. Als wichtigstes Indiz dafür wird jene Liste angesehen, in die Gewinne und Verluste der großen Drei, Stalin, Churchill und Roosevelt, beim Kartenspielen eingetragen wurden.

Es ist nach Ostexpertenansicht nun endgültig erwiesen, daß nicht Jalta das Schicksal der Ossis besiegelte, sondern ein simples Nullouvert auf Stalins Faust. Der grusinische Schnauzbart kassierte, laut Skatliste, bei einem einzigen Spiel Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Bis ihm aber Molotow ins Ohr hauchte: „Bleibt es bei dieser Besatzungszone, werden Unsere nur noch Kulmbacher Bier, Steinhäger und Pfälzer Wein saufen sowie gefüllte Saumägen verschlingen, aber keine einzige Parteiversammlung mehr besuchen.“ Stalin tauschte auf der Stelle alle bajuwarischen Bierländereien und die Bocksbeutelgefilde gegen Thüringer Klöße samt Leipziger Allerlei. Und die Ossis tauschte das Väterchen auch mit ein. Und das war gemein. „Denn“, so Bruderschaftssprecher Konrad Eberwein, CDU, „ohne diesen Deal wären wir heute wer, und die drüben die Ossis.“

„Und“, so Gründungsmitglied Rothgießer, SPD, „es hätten zahlreiche Karrieren ganz anders oder gar nicht stattgefunden. Oggersheim am Rhein besäße heute einen 1. Kreissekretär der SED. Er würde vielleicht lispeln. Seine Frau aber wäre die schönste im ganzen Land und hieße Hannelore. Möllemann wäre vielleicht Hausvertrauensmann der Nationalen Front und eine gewisse Irmgard säße, blaubehemded, als Uraltjugendliche in der Volkskammer. Erich der Botschaftssausewind säße nach seinem Gastspiel bei den Chilenen nicht in Moabit, sondern spielte Partylöwe bei Beate Uhse. Denn küssen konnte der Mann wie keiner. Und Carolin Reiber, statt goldig vor ihren Volksmusikanten herzumarschieren, paradierte an der Spitze einer Kampfgruppenformation.“

„Das alles“, so die Vorsitzende der Bewegung Lammsbein-Bühhahn, FDP, „ist unseren drübigen Schwestern und Brüdern nur dank uns und Stalin erspart geblieben. Es hätte auch andersherum laufen können, und wir 16 Millionen wären heute die reiche Verwandtschaft und jene da drüben die armen 60 Millionen.“

Die neue Bewegung hat mittlerweile einen Gesetzentwurf zwecks Revidierung des stalinschen Schurkenstreichs vorgelegt. Alles soll noch einmal von vorn beginnen. Nur, daß die Wessis nun die Ossis sein werden und die Ossis die Wessis.

Eine Frage ist noch offen: Wer stellt die zukünftige Besatzung? Die Sachsen, sie galten bisher als fünfte Besatzungsmacht in Deutschland, haben bereits abgewunken. „In diese Falle der Bundesregierung tappen wir nicht“, erklärte Ministerpräsident Biedenkopf. „Wir müßten schließlich auch irgendwann einmal abziehen, und diesen Gefallen tun wir Kohl nicht.“

Nun will man die UNO einschalten und um die Zuteilung einer Besatzungsmacht nachsuchen. Serbien zeigte bereits Interesse, und auch der Iran wäre unter gewissen Umständen — Salman Rushdie in Folie und filetiert — bereit, einzumarschieren. Auch Vertreibungen sind wieder, wie schon damals, geplant. Wer vertrieben werden soll, steht bislang noch nicht völlig fest. Auf jeden Fall aber Andy Borg, Hella von Sinnen und Wolfgang Lippert sowie sämtliche HIV-Positiven.

Die Thüringer Bruderschaft gegen Ungerechtigkeit nimmt noch Mitglieder auf. Auch aus anderen deutschen Stämmen. Bedingung: Man muß im Leben mindestens einmal ungerecht behandelt worden sein.