GASTKOMMENTAR
: Demokratie in Kriegszeiten

■ Kroatiens Bevölkerung entwuchs mit den Wahlen ihrer Objektrolle

Wozu wird Franjo Tudjman seinen hohen Wahlsieg bei den ersten direkten Präsidentschaftswahlen in der Geschichte Kroatiens nutzen? Nicht nur er ist nunmehr in seinem Amt demokratisch legitimiert, sondern auch das kroatische Volk hat sich als ein demokratisches legitimiert: durch die hohe Wahlbeteiligung und nicht zuletzt die vielen Stimmen für Tudjmans Gegenkandidaten — den jungen liberalen Dragan Budica. Die Wahlergebnisse geben Tudjman die Möglichkeit, gegenüber der Hilflosigkeit der westlichen Politiker angesichts des Krieges in seinem und dem Nachbarland energisch aufzutreten, um die Aggression endlich zu beenden. Als erstes müßte er den UNO-Beauftragten Cyrus Vance, den Schöpfer des UNO-Planes für die Krisengebiete Kroatiens, auffordern, eine Zwischenbilanz zu fertigen und den Plan gegebenenfalls zu revidieren.

Der kroatische Präsident hat jetzt die Legitimation, als politischer Partner bei der Lösung der Krise und Beendigung des Krieges akzeptiert zu werden, und er muß dies auch dann fordern, wenn die Großmeister der politischen Welt sich abgeneigt zeigen. Die Bevölkerung Kroatiens hat demonstriert, daß sie aus der ihr zugeschriebenen Rolle des Objektes im politischen Spiel hinausgewachsen ist. Kroatien muß jetzt einen überzeugenden, eigenen Zeitplan für die Beendigung des Krieges, für die Befreiung der okkupierten Gebiete und für die Durchführung des UNO-Planes vorlegen, anstatt sich von den die eigene Unfähigkeit vertuschenden UNO-Emissionären gängeln zu lassen. Diese Aufgabe haben die Bürger Kroatiens ihrem Präsidenten anvertraut. Allerdings ist zu befürchten, daß Herr Tudjman seinen klaren Sieg eher nach innen als nach außen ausspielt und seinem autoritären Führungsstil auch weiterhin freien Lauf läßt.

Seine glatte Mehrheit hat er den bis kurz vor den Wahlen unentschiedenen Wählern und vor allem dem großkroatischen Abenteurer Paragas zu verdanken. Er wagte es, in einem Land mit einer so starken und tiefverwurzelten antifaschistischen Tradition, bei seinen politischen Happenings mit Ustascha-Symbolik und -Gestik aufzutreten. Diese faschistoide Ejakulation löste Gegenreaktionen aus: Dagegen könne nur die etablierte stärkste politische Kraft halten. Das ist nicht ganz verkehrt. Noch besser ist, daß diese die absolute Mehrheit im Parlament verloren hat. Ein Land, in dem die Liberalen zweitstärkste Partei sind, kann sich in der Gemeinschaft demokratischer Staaten sehen lassen. Dunja Melcic

Freie kroatische Autorin, Frankfurt/Main