Schwarze Geschäfte mit roten Schweinebäuchen

Stasi-Notizen zeigen: Bayerns Finanzbehörden duldeten offenbar zweifelhafte Geschäfte zwischen der bayerischen Fleischfirma Moksel und Schalcks Kommerzieller Koordinierung — um sich Straffreiheit zu sichern, erstattete Moksel Selbstanzeige  ■ Von Thomas Scheuer

Die bayerischen Finanzbehörden haben offenbar über Jahre hinweg krumme Geschäfte des Allgäuer Schlachtviehkonzerns Alexander Moksel AG mit Firmen des damaligen DDR-Devisenjongleurs Alexander Schalck-Golodkowski geduldet. In einem Fall, so geht aus DDR-Dokumenten hervor, scheint Moksel gar vor einer bevorstehenden Zollrazzia gewarnt worden zu sein. Mittlerweile ermitteln Staatsanwälte und Steuerfahnder gegen Moksel wegen undurchsichtiger Provisionszahlungen auf Konten der Schalck-Firmengruppe „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo). Dabei soll es um ungeklärte Überweisungen von über 13 Millionen D-Mark gehen. Im Frühjahr letzten Jahres wurde bei Moksel umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt. Offenbar ist den Schlachtviehmagnaten aus Buchloe bewußt, daß sie Dreck am Stecken haben: Nach Informationen der taz hat Moksel schon Anfang letzten Jahres Selbstanzeige erstattet. Der bislang nicht bekannt gewordene Schritt kommt einem Schuldeingeständnis gleich und wurde wohl aus gutem Grund getan: Im Steuerrecht hat eine rechtzeitige Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung.

An der Durchleuchtung der dubiosen Geschäftsbeziehungen zwischen Alexander Schalck-Golodkowskis Kommerzieller Koordinierung und den bayerischen Fleischhändlern Moksel (Buchloe) und März (Rosenheim) ist auch der Schalck-Untersuchungsausschuß des Münchener Landtags brennend interessiert. Er will den „Agrar- Komplex“ nach der Sommerpause anpacken. Derweil versucht Moksel mit allen juristischen Mitteln, die Herausgabe entsprechender Akten der bayerischen Finanzverwaltung an die Parlamentarier zu verhindern. Dabei deckt sich Moksels Interesse offenbar mit dem des Finanzministeriums. Denn letzteres rückte die Papiere auch dann nicht heraus, als der bayerische Verfassungsgerichtshof im Juni dieses Jahres eine Klage der Firma gegen die Aktenherausgabe als unzulässig abgewiesen hatte. Danach beantragte Moksel beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung gegen die Aktenherausgabe. Die Entscheidung darüber steht noch aus. Der grüne Abgeordnete Manfred Fleischer kritisierte jüngst „die Dreistigkeit, mit welcher man im bayerischen Staatsministerium der Finanzen mit dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß Schlitten zu fahren versucht“. Das Verhalten des Münchener Finanzministeriums lege „den Schluß nahe, daß man mit Moksel gemeinsame Sache macht.“

Daß die bayerischen Grünen mit diesem „Schluß“ der Wahrheit recht nahekommen, belegen Stasi-Dokumente, die der taz zugespielt wurden. Danach haben Telefonspitzel des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) im Herbst 1984 Telefonate des leitenden Moksel-Managers und KoKo-Stammkunden Rodo Schneider abgehört. Schneider informierte damals einen Gesprächspartner darüber, daß Zollfahndungsbeamte Lager und Kühlhallen der Firma Moksel durchsucht hätten. „Da er jedoch durch nicht näher genannte Verbindungen im voraus Kenntnis von den Fahndungsaktionen gehabt habe“, so notierten die Stasi-Spitzel seinerzeit mit, „konnten der Firma keine Unregelmäßigkeiten nachgewiesen werden.“ Im Klartext: Moksel muß aus den Reihen der bayerischen Finanzbürokratie einen Tip über die bevorstehende Razzia erhalten haben und konnte so rechtzeitig die Aktenschränke säubern.

Denn daß die Allgäuer Schlachtviehbarone tatsächlich mit Fleischimporten aus der DDR geschummelt haben, wird in dem zitierten Stasi- Report ebenfalls schwarz auf weiß festgehalten: Den Spitzeln gelangte nämlich „zur Kenntnis, daß die Fa. Moksel aus der DDR importiertes Fleisch (Schweinebäuche) nach Österreich verbringen und dort mit österreichischen Veterinärdokumenten versehen ließ. Offenbar soll durch diese Manipulation Österreich als Ursprungsland des für den Export nach Portugal vorgesehenen Fleisches vorgetäuscht werden.“ Ein klarer Fall von Umgehungsgeschäft unter Ausnutzung des steuerlich begünstigten innerdeutschen Handels. Derartige Deals scheinen bei Moksel, ebenso wie beim vermeintlichen Konkurrenten März/Marox in Rosenheim, über Jahre hinweg Praxis gewesen zu sein. Noch kurz vor der Vereinigung nutzten die beiden Firmen noch einmal die Privilegien des innerdeutschen Handels aus: Sie schleusten große Mengen Rindfleisch aus der damaligen CSSR in die gerade noch existierende DDR und von dort aus über die Bundesrepublik auf den EG-Markt. So „sparten“ die Firmen EG-Abgaben und Zölle in Millionenhöhe. Zwei an der Transaktion beteiligte Topfunktionäre des DDR-Außenhandelsbetriebes Nahrung fanden sich kurz darauf auf lukrativen neuen Posten wieder— der eine bei März, der andere bei Moksel.