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Mehr Freie als je zuvor

■ Der Bericht zur Lage der französischen Theater

Vom Kulturminister Jack Lang beauftragt, der sich erst spät in die von Arbeitsministerin Aubry ausgelöste Diskussion um die Arbeitslosenversicherung für freischaffende Theaterleute einmischte, legte der Regisseur Jean-Pierre Vincent vergangene Woche eine Untersuchung zur Lage der französischen Theater vor. (Vincent selbst ist Regisseur und Direktor eines der renommiertesten Theater Frankreichs, des einst von Patrice Chéreau geleiteten ThéÛtre des Amandiers-Nanterre bei Paris.) Sein Lagebericht kommt zu dem Ergebnis, daß zwischen 1986 und 1990 die Zahl der freien Theaterkünstler und -techniker um 60 Prozent zugenommen hat. Anders als bei uns, wirkt sich das finanziell nicht in den Theatern selbst aus, die fast keine feste Belegschaft haben, sondern belastet den zentralen Arbeitslosenfonds in Paris. Die sogenannten „Intermittents“ (so heißen die Freien in Frankreich) erhalten nämlich nach dem Nachweis einer Mindestzahl von Bühnenauftritten Arbeitslosengeld.

Im Topf herrscht derzeit allerdings große Leere, ein Grund dafür ist, daß das unübersichtliche Sozialversicherungssystem von vielen Intermittents mißbraucht wird, was selbst Theaterleute eingestehen.

Die andere Seite der Medaille, auf die in Vincents Bericht ausführlich eingegangen wird: Die Intermittents, die ernsthaft arbeiten, stellen ihre Arbeitskraft nicht nur während der tatsächlichen Bühnenauftritte zur Verfügung, sondern zum Beispiel auch in der Zeit der Proben. Sie müssen also bezahlt werden — nur wie?

Eine seiner wichtigsten Vorschläge lautet, die Gruppe der freien Künstler völlig aus der allgemeinen Sozialversicherung herauszulösen und einen nationalen Fonds zu gründen, aus dem sowohl Freie als auch Festengagierte bezahlt werden. Er schlägt vor, das Sozialversicherungsgesetz nicht übereilt schon jetzt zu ändern, sondern die Theater noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und im nächsten Frühjahr zu entscheiden. Gründe für die sprunghafte Zunahme der Intermittents liegen für Jean-Pierre Vincent unter anderem in der durch Jack Lang geförderten Dezentralisierung französischer Kultur, durch die in den letzten Jahren viele neue regionale choreographische und Theaterzentren entstanden sind. Jürgen Berger

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