INTERVIEW
: Opfer nicht noch mal zum Opfer machen

■ Die taz sprach mit dem Pflichtverteidiger von Ronni G., Christian Ströbele, über sein Mandat

taz: Herr Ströbele, waren Sie im Prozeß gegen Ronni G. Pflichtverteidiger?

Ströbele: Ich war Pflichtverteidiger.

Hätten Sie das Mandat ablehnen können?

Grundsätzlich ist man dazu verpflichtet, wie die Bezeichnung schon sagt. Eine Ablehnung wäre nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich.

Während der Verhandlung haben Sie die Tat als ein grauenhaftes Verbrechen bezeichnet. Wie treten Sie einem solchen Menschen gegenüber, und warum haben Sie die Verteidgung übernommen?

Über die Interna des Mandatsverhältnisses äußere ich mich nicht. Die Aufgabe der Verteidigung, dem Angeklagten zu helfen, ließ sich in diesem Falle vereinbaren damit, die Gesellschaft solange wie nötig vor dem Angeklagten zu schützen und gleichzeitig aufzuzeigen, welche Fehler in der Vergangenheit bei der Behandlung des Angeklagten gemacht worden sind. Das wurde ja auch von dem Gericht bestätigt. Die Verteidigung erschien mir möglich, weil der Angeklagte von sich selbst sagte, daß er nicht frei sein wolle, bis er nicht sicher geheilt sei. Das war für mich die Basis.

In der Vergangenheit haben sogenannte linke Anwälte zum Beispiel in Vergewaltigungsfällen die Verteidigung häufig abgelehnt...

Das habe ich auch schon getan.

Welche Gründe hatten Sie dafür?

Es kommt darauf an, ob ich mit dem Mandanten eine Verteidigungslinie vereinbaren kann. Es kann nicht darum gehen, die Opfer der Tat in einem Prozeß noch mal zum Opfer zu machen. Im Interesse aller müssen wir versuchen, wie in diesem Fall, Lösungen zu finden, die eine Gefährdung in Zukunft ausschließen.

Glauben Sie, daß Ronni G. geheilt werden kann?

Wenn ich das nicht glauben würde, hätte ich nicht beantragt, daß er sich einer Behandlung unterzieht. Mir ist klar, daß die Erfolgsaussichten in all diesen Fällen nicht sonderlich groß sind, zumal die psychiatrischen Anstalten, so wie sie heute gestaltet sind, auch nicht das sind, was sie eigentlich sein sollten. Aber ich habe die Hoffnung, im Interesse des Angeklagten und vor allem der von ihm Bedrohten, daß eine Heilung möglich ist.

In Ihrem Plädoyer warnten Sie das Gericht davor, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen...

Man muß sich vorstellen, was passieren könnte, wenn es keine Einweisung gegeben hätte. Das würde bedeuten, und davor habe ich heftig gewarnt, daß er jetzt für zehn Jahre in Hafte ginge und dann auf freien Fuß gesetzt werden müßte. Und ohne Therapie wäre er eine noch gefährlichere Zeitbombe, als er vorher schon gewesen ist. Interview: Ralf Knüfer