Mitleid mit dem Opfer belastet den Täter

■ Landgericht verurteilt 27jährigen Angeklagten wegen der »Exekution« eines Callgirls zu zehn Jahren Haft/ Richter billigt dem Täter verminderte Schuldfähigkeit zu, wertete das Rufen des Notarztes nach der Tat aber als Zeichen von Schuldfähigkeit

Moabit. »Hätte der Angeklagte anders entscheiden können?« Mit dieser Frage begann der Richter gestern sein Resümee in der Urteilsverkündung im Prozeß gegen den Sicherheitstechniker Ronni G. Um diese Frage habe sich die Verhandlung gedreht, so der Richter, da der Angeklagte bereits kurz nach der Tat ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte. Der 27jährige hatte am 12. Januar dieses Jahres das Callgirl Ines Z. nach einer gemeinsamen Nacht im »Hotel Berolina« mit sechs Schüssen »regelrecht exekutiert«. Die 31. Strafkammer des Landgerichts Berlin verurteilte Ronni G. gestern zu einer Haftstrafe von zehn Jahren und gestand ihm eine verminderte Schuldfähigkeit zu.

Zunächst aber soll der Angeklagte in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden. Erst wenn die mehrjährige Behandlung dort erfolgreich abgeschlossen sei, solle der Strafvollzug angetreten werden. Die Zeit, die Ronni G. in der psychiatrischen Behandlung verbringen muß, wird auf die Haftstrafe angerechnet.

Das Gericht folgte damit dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaß, berücksichtigte aber auch die Vorstellungen der Verteidigung, die auf Schuldunfähigkeit plädiert und auf Einweisung in die Psychiatrie gedrungen hatte.

In der Urteilsbegründung erläuterte der Vorsitzende, warum Ronni G. wegen Totschlages verurteilt wurde, und nicht wegen Mordes, wie die Anklage zunächst gelautet hatte. Auch wenn die Tat geplant gewesen sei und der Angeklagte sich an Prostituierten habe rächen wollen, so müßte das Gericht dennoch berücksichtigen, daß diese Einstellung auf einer »fixen Idee« beruhe.

Ronni G. selbst habe nicht erkennen können, daß er aufgrund der »paranoiden Vorstellung« handelte, Frauen und Prostituierte als ihr Sinnbild seien an seinem Zustand schuld und nicht eine »krankhafte sexuelle Störung«. Das Gericht kam damit auf die Erklärung des Psychiaters Missoni zurück, die paranoide Entwicklung des Angeklagten habe diesem zum Tatzeitpunkt »keinen Raum für eine andere Entscheidung« mehr gelassen.

Daraus folgerte das Gericht jedoch nicht die Schuldunfähigkeit des Angeklagten. Das Verhalten vor und nach der Tat lasse diesen Schluß nicht zu: Ronni G. habe sich das Bild von Prostituierten, das in seiner Vorstellung existierte, nochmal auf die Probe gestellt. Bevor er Ines Z. tötete, habe er ihr zusätzlich zu den 4.000 DM, die er für die Nacht hingeblättert habe, nochmals 600 DM angeboten, um sich ihre »hemmungslose Gier« bestätigen zu lassen. Und nachdem er die sechs Schüsse abgefeuert hatte, hat Ronni G. selbst die Feuerwehr verständigt, sagte der Richter weiter. Das deute auf Mitleid hin, auch wenn es unlogisch gewesen sei, »weil Hilfe unmöglich war«.

Die Einweisung von Ronni G. begründete der Richter damit, daß der Angeklagte von sich selbst wisse, wie gefährlich er sei, Einsicht zeige und deswegen für die Behandlung gute Chancen bestünden. Ronni G. hatte sich während der Verhandlung selbst als »Monster« bezeichnet, vor dem Menschen geschützt werden müßten. Der Gericht habe das bisherige Leben des Angeklagten, bei dem »beileibe nicht alles optimal gelaufen sei«, berücksichtigt. Ronni G. war bereits zweimal wegen versuchter Vergewaltigung in der Psychiatrie Buch behandelt worden und jedesmal als geheilt entlassen worden. Das seien »verhängnisvolle Fehlprognosen« gewesen, die das Gericht mit seinem Urteil vermeiden wolle. Ralf Knüfer