Liste mit Gefangenenlagern vorgelegt

■ In zwei serbischen Gefangenenlagern wurde dem Internationalen Roten Kreuz der Zugang verwehrt/ Amerika und Großbritannien drängen auf militärisches Eingreifen in EX-Jugoslawien

Zagreb/New York (AFP) — Wechselseitige Anschuldigungen über Greueltaten in Gefangenenlagern haben den Bürgerkrieg in Bosnien- Herzegowina gestern von neuem angeheizt. Der bosnische UN-Botschafter Muhamed Sacirbey legte der UNO eine Liste mit insgesamt 105 Lagern vor, in denen nach seinen Informationen rund 120.000 Bosnier gefangengehalten würden. Mindestens 17.000 Menschen seien in den Lagern bereits getötet worden.

Eine Gruppe ausländischer Journalisten, unter denen sich ein AFP- Korrespondent befand, besuchte am Mittwoch Ugljevik, einen der angegebenen Standorte im Norden Bosniens, konnte aber von den dort vermuteten 7.000 Gefangenen keine Anzeichen entdecken. Andererseits beschuldigten die bosnischen Serben die verfeindeten Kroaten und Moslems, sie hätten 42.000 serbische Zivilisten gefangengenommen und davon 6.000 getötet. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bestätigte bislang lediglich die Existenz von insgesamt neun Lagern — sechs kroatische, zwei serbische und ein moslemisches.

Wie das IKRK bei den Inspektionen feststellte, leben hier etwa 4.030 Menschen unter extrem schlechten Bedingungen. Es gäbe weder Wasser noch ausreichend Lebensmittel. Daß dort gefoltert würde oder daß Massenexekutionen stattfänden, könne die Organisation bisher nicht bestätigen. In zwei Fällen, in den bosnischen Orten Broko und Omarska, sei den MitarbeiterInnen des IKRK allerdings eine Lagerbesichtigung von den Serben verweigert worden. Beide Gefangenenlager befinden sich in serbisch kontrollierten Gebieten.

UN-Generalsekretär Butros Ghali setzte sich unterdessen für ein stärkeres Engagement der europäischen Staaten bei den friedensschaffenden Maßnahmen in Bosnien-Herzegowina ein. Schon am Dienstag hatte der UN-Sicherheitsrat gefordert, daß internationale Hilfsorganisationen Gefangenenlager in den ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken besichtigen dürfen. Die Konfliktparteien erklärten sich daraufhin bereit, Vertretern des IKRK Zutritt zu sämtlichen Lagern zu gewähren. Dabei soll geprüft werden, ob in den Gefangenencamps Kriegsverbrechen begangen werden.

Auch die Europäische Gemeinschaft hat inzwischen den „sofortigen und bedingungslosen“ Zugang von internationalen Beobachtern zu allen Gefangenenlagern in Bosnien- Herzegowina verlangt. In einer gestern in London veröffentlichten Erklärung forderten die EG-Staaten die Belgrader Behörden dringend dazu auf, ihren Einfluß auf die bosnischen Serben zu nutzen, um Inspektionen der Lager durch Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zu ermöglichen. Wie die moslemische Führung behauptet, sind seit Beginn der Kämpfe insgesamt 60.000 Menschen getötet und 200.000 verletzt worden — vor allem Frauen, Kinder und alte Menschen.

Angesichts der Berichte über Internierungslager in Bosnien-Herzegowina mehren sich in den USA die Stimmen, die ein militärisches Eingreifen fordern. Zahlreiche Senatoren und der Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Bill Clinton, forderten Präsident George Bush auf, im Sicherheitsrat auf den Einsatz aller Mittel zu dringen, um „das Morden“ in der Balkanrepublik zu beenden. Die Senatoren forderten eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats, in der über die nötigen Schritte beraten werden solle. Um die Zivilisten in Bosnien zu schützen, dürfe notfalls auch auf den Einsatz militärischer Mittel nicht verzichtet werden. Außerdem müsse überlegt werden, ob das Waffenembargo gegen das ehemalige Jugoslawien nicht gelockert werden solle, damit sich Bosnien zu seiner Verteidigung mit Waffen ausrüsten könne.

Auch die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher sprach sich für eine militärische Unterstützung des Westens für die von Serben bedrängte bosnische Regierung aus. In einem Beitrag für die New York Times schrieb Frau Thatcher: „Serbien wird nicht hören, solange es nicht dazu gezwungen wird.“ Die Vertreibung von Kroaten und Moslems aus von Serben bewohnten Gebieten verglich sie mit der Politik Hitlers und Stalins. BZ