Heiß ist der Alexanderplatz

■ Staatssekretär Echternach aus dem Bundesbauministerium stellt sich dem Zorn der Ostberliner MieterInnen, und (fast) keiner interessiert sich dafür

Berlin. »Das kann ich gut verstehen«, sagt Staatssekretär Jürgen Echternach (CDU) vom Bundesbauministerium und blickt die Ost-Rentnerin tief aus seinen schwarz umränderten Augen an. Dann versteht er es aber doch nicht so richtig, wie es ist im Osten. Daß die Renten nicht jedes Jahr automatisch steigen, daß es Jahre dauert, bis die Rente berechnet wird, daß diese Steigerung oft genug von Krankenkassenbeiträgen aufgefressen wird — der Staatssekretär wußte es nicht, läßt sich belehren und zeigt Verständnis. Glühendheiß ist es mittags auf dem Alexanderplatz, zwischen Hariboständen, Hot-Shirts und Hütchenspielern, wo der gläsern-weiße Infobus aus dem Bundesbauministerium steht, der die Bürger im Osten über Rechte und Pflichten aufklärt und wo tonnenweise — 2,5 Tonnen täglich — Infomaterial verteilt wird.

Die Hitze lähmt auch das Interesse und vor allem den Zorn der Bürger. Brav stehen sie an, um sich von Mitarbeitern aus dem Ministerium — »die können ja nichts dafür« — über Wohngeld, Beschaffenheitszuschläge und Wohnungskauf beraten zu lassen. Gerade mal fünf von ihnen scharen sich um den in seinem halbdunklen Anzug entschieden zu warm gekleideten Echternach. Eine Rentnerin bekommt nach dem Auslaufen ihres ersten Wohngeldantrags 29 Mark weniger, andere Rentner, deren Antrag später ausläuft, bekämen jedoch Wohngeld in gleicher Höhe weiter, das versteht sie nicht. Ein älterer Herr hat sein Haus wiederbekommen mit einer Viertelmillion Schulden drauf, dabei ist da nichts hineingesteckt worden, das versteht er auch nicht. Echternach verteilt Visitenkarten, hört zu, guckt verständnisvoll und schwitzt.

Leben kommt erst in die Bude, als sich zwei Volksvertreter in die Haare kriegen, beide aus Treptow, aus dem Osten. »Tausende von Menschen hat die CDU in die soziale Not und in den Selbstmord getrieben«, ruft der PDS-Profi. »Nur damit sie es wissen, dieser Herr war Erster Parteisekretär der SED«, empört sich der CDU-Abgeordnete, den jener gerade anfeindet. »Na und, die CDU ist auch nicht besser«, gibt eine Frau mit rosa Bluse und roter Handtasche zurück. »Was glauben Sie, wie es mir geht«, sagt der Treptower CDUler zu der Frau, als die PDS endlich abgezogen ist. »Ich lebe in Bonn, seit Jahren von meiner Familie getrennt, das ist auch nicht leicht.« Die Frau mit der rosa Bluse und der roten Handtasche nickt verständnisvoll. »Da haben Sie auch wieder recht«, sagt sie. Und sie hätte auch beinahe CDU gewählt. Echternach wendet sich inzwischen voller Verständnis dem nächsten Rentner zu. Die Reporterin weicht der Hitze. esch