Kanon' auf Kanon'

■ Theodor Fontane — als Kriegsberichterstatter in Schleswig-Holstein

Was hat den Theodor Fontane so berühmt gemacht? Natürlich seine Latschereien durch die nähere und fernere Umgebung von Berlin, genannt »Wanderungen durch die Mark Brandenburg«, dann die Milieu-Romane und schließlich seine Gedichte, die man — jedenfalls vor 30 Jahren — in der Schule lernen mußte.

Nahezu unbekannt ist dagegen, daß Fontane am Anfang seiner schriftstellerischen Karriere Kriegsberichterstatter war. Über die drei Bismarckschen Kriege in den Jahren 1864 (Deutschland/Dänemark), 1866 (Preußen/Österreich) und 1870/71 (Deutschland/Frankreich) hat er geschrieben. Keine der drei Darstellungen war bei ihrem Erscheinen ein Publikumserfolg. Jahrzehntelang waren die etwa 4.500 Seiten Kriegsberichterstattung vergessen. Erst in den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts gab es zwei Nachdrucke. Anreiz für Fontane war zum einen sein starkes Interesse an historischen Vorgängen, die auch immer wieder in seine Romane eingeflochten wurden. Zum anderen liebte er den Norden — was sein Interesse am Schleswig-Holstein-Krieg 1864 nahelegt.

»Ich bin ein Nordlandmensch, und Italien kam für mich nicht dagegen an«, schrieb er 1896, zwei Jahre vor seinem Tode an Ernst Gründler. Wohl aufgrund seine Kinderjahre in Swinemünde 1826-1831 hat sich Fontane Zeit seines Lebens fürs nördliche Flachland interessiert und ihm Sympathie entgegengebracht. Wie viele Intellektuelle seiner Zeit sah Fontane 1848 in der schleswig- holsteinischen Frage ein Schlüsselproblem für das sich einigende Deutschland. Es war also eine merkwürdige Mischung von Nationalismus und Sympathie gegenüber dem »Norden«, die ihn zum Kriegsschreiber werden ließ.

Seit Juni 1860 war Fontane Redakteur der Neuen Preußischen (Kreuz) Zeitung und arbeitete an seinem ersten Roman (»Vor dem Sturm«), sowie an den »Wanderungen durch die Mark Brandenburg«. Für kleinere Artikel fuhr er im Mai 1864 mit seinem Redaktionskollegen Dr. C.W. Heffter nach Schleswig- Holstein, um dort die Schauplätze der Kämpfe zwischen den Dänen auf der einen und den Preußen und Österreichern auf der anderen Seite zu besichtigen. Es war die Zeit des Waffenstillstands vor dem deutschen Marsch nach Jütland. Anfang 1865 begann er schließlich mit der Ausarbeitung des Kriegstagebuchs und unterbrach dafür seine anderen Projekte für etwa zehn Jahre — wohl auch wegen der guten Bezahlung. Herausgekommen ist ein 376 Seiten starkes Werk, das keine Glanzleistung war. Fontane hatte sich in Einzelschilderungen verzettelt. Erkennbar ist seine Liebe zur jütländischen Landschaft, aber auch die Übernahme der preußischen Haltung zum Konflikt zwischen Dänemark und dem Deutschen Bund über Schleswig-Holstein. Niveaulose nationalistische Gedichte wie das über den »Hundertkanonentag« am 4. Mai 1864 kommen zum Abdruck:

In seinen Schlußworten zeigt sich Fontane als vorausschauender Nationalist: Deutschland soll nicht nur Schleswig-Holstein »heim ins Reich« holen, sondern auch eine Weltmacht auf den Meeren werden: »Vor allem aber möge gute Saat sprießen aus dem Blute derer, die gefallen; der Aera des Haders, des stillen und offenen Krieges, folge Friede, Freiheit, frischer Wind und frische Fahrt. Die meerumschlungenen Lande sind unser, wer' es auch das Meer. Das walte Gott!«

Unbekannte Seiten des hochgelobten Theo! Jürgen Karwelat

»Die Linden stehen im ersten Grün,

Die Augen leuchten, die Wangen glühn,

Fanfaren schmettern im Siegeston,

Geschütze rasseln, Kanon' auf Kanon';

Sie ziehen in langer Reihe dahin

Und in Parade steht ganz Berlin.

Der König und mit ihm die Prinzen all,

Sie führen die Stürmer von Düppels Wall;

Zur Siegesgöttin die Blicke empor,

Die Sieger ziehen durchs Siegesthor,

Mit Laub und Blumen die Helme geschmückt,

Im Sonnenstrahle die Klingen gezückt.«