: documenta9 — Spot3
■ Cady Nolands „Towards a Metalanguage of Evil“ — Auf dem Sprung in die S-Klasse
Spot ist eine taz-Serie zu einzelnen Arbeiten oder Künstler(inne)n auf der documenta9 in Kassel. Bis zum 20.September.
Kassel, Ebene 1, Untergrund-documenta: Im Aufsichtsbereich der Parkwächter hinter ihren Schaltpulten und gleich gegenüber den Frauenparkplätzen hat Cady Noland ihren Drive-By-Parcours aufgebaut. Auf einer Strecke von 100 Metern sind einige Stellplätze mit rot-weiß gestreiftem Baustellenband, aufgespannt zwischen Betonsäulen, abgesperrt. Text- und Bildtafeln lehnen locker oder gekippt an der Wand, Neonlampen liegen auf dem Boden herum, mobile Baustellengitter sperren einen Notausgang ab. In die staubige Scheibe eines ziemlich ramponierten Sportwagens, abgestellt zwischen Pflastersteinen und künstlichen Objekten, hat jemand Grüße hineingeschmiert. Auf den sauber gearbeiteten Texttafeln liest man etwas von Unfällen und Autorennen, ergänzt durch Bilder von Rennmaschinen, Crashs, einem schlecht posierenden Nicki Lauda neben anderen überfahrenen Lebewesen. Der Text ist durchgängig englisch und bei der Abgaskonzentration unter Tage mehr als reichhaltig — es kommt also auf die wie Funken überspringende Ahnung an.
Abseits des Parcours liegt ein umgekippter Unfall- Van neben regulär abgestellten Autos. Etwas auslaufende Flüssigkeit wurde mit Bindemittel im Zaum gehalten. Eigenartigerweise liegt der zerknautschte Transporter auf einem Sockel aus Holzpaletten, drumherum durch lose Bordsteine gegen vorbeikreisende Parkplatzsucher abgesichert: Vorsicht, Kunst. An zwei Säulen kleben Zettel, wie man sie sonst auf Ausstellungswänden erwartet. Darauf stehen zum Beispiel Hinweise zu Peter Nagys Gemälde auf rechteckiger Kiste oder auf das grob durchlöcherte Fotoobjekt von Wallace & Donahue. Denn Cady Noland hat noch ein paar New Yorker Künstlerkollegen zusätzlich in die documenta eingeschmuggelt. „Dazwischen hängen Originale. Jede Woche werden die Bilder von den Emissionen gereinigt, zum Schluß der Ausstellung restauriert — als Dank an das Vertrauen der privaten Leihgeber“, heißt es dazu im Pressetext Nr.22.
Cady Noland hat mit ihrer documenta-Arbeit eine Mischung aus Post-Warhol-„129 Die in Jet!“-Museum und Post-Challenger-Baudrillard-Theorie-Diskurs in die Tiefgarage verlegt. „Towards a Metalanguage of Evil“ — mit dem Titel des Werks ist auch ihr Katalog-Essay überschrieben, der den richtigen Theorie-„Sound“ (Rainald Goetz) hat, jedoch nicht so recht mit der Metasprache des Bösen herausrücken will. Was aber, arbeitet jemand nicht vorrangig mit Texten, sondern mit Raumsituationen, auch nicht sonderlich ins Gewicht fällt. Auf jeden Fall schert Cady Noland, auf dem Sprung in die S-Klasse des Kunstbetriebs, mit ihrer Installation am Randstreifen des alles plattmachenden Rest-d9-Rummels noch einmal aus: eine mehr als nur zynische Desaster-Ahnung. Jochen Becker
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