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Villa Massimo II?

■ Schloß Wiepersdorf soll ein „Künstlerhaus“ werden

Peter Hahn hat hochfliegende Pläne: Nichts weniger als eine märkische Villa Massimo will der ehemalige Intendant des Frankfurter Theaters am Turm (TaT) aus dem Schlößchen Wiepersdorf machen. Der barocke Herrensitz, einst Refugium des Landedelmannes und Edel-Romantikers Achim von Arnim und seiner Dichtergattin Bettina, ist seit dieser Woche wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Der Direktor des „Künstlerhauses Wiepersdorf“ nimmt ein wenig großspurig das italienische Vorbild für sich in Anspruch: Stipendiaten aus allen Sparten der Kunst und paritätisch aus Ost und West quartiert er in dem barocken Herrenhaus ab September ein. Und mehr noch: In der Idylle, 70 Kilometer von Berlin gelegen, will er die Tradition des literarischen Salons wieder aufleben lassen, will die Crème der deutschen Intellektuellen zu seinen „Wiepersdorfer Gesprächen“ versammeln, auf daß sie „so kompetent wie beständig suchend“ in den deutsch-deutschen Befindlichkeiten rühren.

Billig ist das nicht: Die Erhaltung des Anwesens wird im Jahr 800.000 Mark verschlingen, dazu kommen die Kosten für die vorgesehene intellektuelle Bespielung und die Unterbringung der Stipendiaten. Seit einem Jahr gehört das Haus der „Stiftung Kulturfonds“, die die Rechtsträgerschaft des DDR-Kulturfonds übernommen hat und bis 1994 von den neuen Bundesländern unterhalten wird. Jener beanspruchte den Arnimschen Sitz seit 1979 und brachte hier hauptsächlich die schreibende Elite des Landes unter: Anna Seghers, Günther Eich und Christa Wolf. Elitär nun will Peter Hahn das neue alte Künstlerhaus nicht führen, sagt er, und redet statt dessen von „exquisiten“ literarischen Zirkeln, die sich in der märkischen Idylle versammeln sollen. Am 21.August beispielsweise diskutieren unter anderen Claus Leggewie, Lothar Gall, Udo Knapp, Erwin Scheuch und Cora Stephan über das Thema „Parteiverdrossenheit — vorübergehende Erscheinung oder Beginn weitgehender politischer Veränderungen?“.

Mit Wiepersdorf ist der neuen Stiftung ein Bonbon in den Schoß gefallen, denn verglichen mit anderen märkischen Herrensitzen wie Caputh, befand sich das Anwesen bei der Übernahme in einem guten baulichen Zustand. Die Urenkelin des einstigen Besitzers, Bettina Encke, setze sich nach dem Zweiten Weltkrieg bei den Kulturbehörden des neuen Staates dafür ein, Schloß Wiepersdorf aus der Bodenreform herauszunehmen und als Kulturstätte zu erhalten. So wurde nach der Enteignung aus dem Schlößchen keine Jungbauernschule, sondern eine „Arbeitsstätte für Geistesschaffende“. Die Denkmalpflege der DDR riß zwar den Schornstein nieder, investierte jedoch viel Mühe in die Erhaltung der barocken Fassaden und des Parks. Wie es weitergeht mit Wiepersdorf, auch nach 1994, liegt nicht allein am Geld. Ob sich das Haus als Standort der sogenannter Intellektuellengespräche profiliert, bleibt abzuwarten. Immerhin bürgt die Person des neuen Hausherren für Professionalität. Hahn, der 1973 als 30jähriger im Kofferraum der DDR den Rücken kehrte, machte sich zunächst bei den (West-) Berliner Festspielen einen Namen und arbeitet zuletzt beim TaT sowie als freier Autor bei der FAZ.

Diskutieren läßt es sich allemal gut in der Abendsonne auf der weitläufigen Terrasse mit Blick auf die steinernen Figuren der griechischen Mythologie, wie schon Sarah Kirsch in einem Gedicht beschrieb: „Die Steinbilder lächeln — ich ging gleich bis zum Zeus, der hielt den Blitz an der Stelle, wo der Park mit dem Wald schläft. Englischer Rasen, den bläuliches Waldgras verstrickt hat, es reckt noch ein Fliederbusch vergißmeinnichtblaue Finger zum Himmel und selbstverständlich Unmassen von Vögel ringsum in Büsche und Bäume geworfen“.

Nana Brink

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