Gerecht in Dresden

Aus Trotz und „um etwas zu verändern“ kommen die Leute um 50 ins „Komitee für Gerechtigkeit“/ Mietenpolitik steht ganz oben auf der Themenliste der Aktivisten  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Früher war die Deubener Straße im Dresdner Westen nicht die schlechteste Adresse. Heute glotzen leere Fensterhöhlen aus bröckligen Fassaden, und auch den bewohnten Häusern sieht man vergangene, bessere Zeiten an. Hüfthoch im blühenden Kraut versteckt, weist an der Nummer 23 eine Papptafel den Weg zum Hinterhof ins Büro des „Komitees für Gerechtigkeit“.

Dort ist in dieser Mittagsstunde Schichtwechsel am Telefon. Frau Fischer packt ihre Tasche, Frau Kühne blättert im Dienstbuch. An der Tapetenwand hängt Walter Womackas „Am Strand“, das DDR-Wohnstubenbild der 60er Jahre. „Vorhin war ein Herr hier, mit ganz interessanten Vorschlägen“, weiß Frau Fischer zu berichten: verkehrsmedizinische Untersuchung für Autofahrer, Blutspenden während der Arbeitszeit und die Prozesse gegen die Ex-Spitzen der SED waren die Themen des Vorruheständlers. In Strafprozessen gegen ehemalige SED-Größen solle das Komitee als Nebenkläger auftreten, „im Namen jener, deren Vertrauen von diesen Funktionären mißbraucht wurde“.

Auch Frau Fischer zählt sich zu den Betrogenen. Sie war in der SED, „und seitdem hat sich's mit Parteien“. Nun ist sie „Sympathisantin“ des Komitees: „Wenn jeder nur ruhig ist und zuschaut, ändert sich nichts.“ Ausgerechnet die Gegner der Komitees waren es, die sie dazu brachten, mit der Initiative Kontakt aufzunehmen: „Als ich hörte, wie mancher Politiker aufjaulte, kaum daß davon die Rede war, da habe ich mir gesagt, wenn der was dagegen hat, dann muß da was dran sein.“ Frau Kühne stimmt zu.

Vier, fünf Leute jeden Tag rufen im „vorläufigen Büro“ an oder kommen vorbei. Was sie vorzutragen haben, wird korrekt im Dienstbuch erfaßt. Manche erkundigen sich nur nach Terminen des Komitees, andere regen an, daß sich das Komitee mit dieser oder jener kommunalpolitischen Frage befassen sollte. Hin und wieder schimpft es anonym „Stasi- Schweine“ aus dem Hörer.

Mietpolitik steht ganz oben auf der Themenliste für das „außerparlamentarische Rathaus“. 57.000 DresdnerInnen hatten im Frühjahr den von der PDS initiierten Volksantrag für einen Bürgerentscheid über Mietstopp in Dresden unterschrieben. Als das Präsidium der Stadtverordnetenversammlung den Antrag vom Tisch wischte, übernahm das Komitee dieses Thema. „Damit haben wir die meisten Chancen, an die Leute heranzukommen“, sind sich die beiden Frauen einig.

Also befaßt sich eine der elf Arbeitsgruppen des Dresdner Komitees mit Wohnraummieten, und diese AG ist auch die einzige, die sich beim Treff im Klub der Volkssolidarität über neue Gesichter freuen konnte. „Wenn es uns nicht gelingt, mit einigen vernünftigen Ideen an die Öffentlichkeit zu gehen, können wir einpacken“, meint Komiteemitglied und PDS-Stadtvorsitzende Christine Ostrowski, während sich vor dem Klub der Volkssolidarität um die 50 Leute, vorwiegend im Vorruhestandsalter, niederlassen und warten, was nun wohl geschehen werde. Daß von den 500, die zwei Wochen zuvor zur Gründung des Komitees zusammenkamen, nur noch diese kleine Gruppe geblieben ist, hält sie für normal. Wichtiger sei ihr, daß seitdem auch jüngere Leute mitmachen und daß sie „gute Gespräche“ mit einigen „Bürgerbewegten“ hatte. „Da haben sie ganz anders geredet als ihre Funktionäre.“