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"Keine Mehrzweck-Halle um jeden Preis"

■ Vizebürgermeister Hans-Jürgen Krupp bremst Großhallen-Euphorie / Gewünschter Großinvestor nicht in Sicht

bremst Großhallen-Euphorie / Gewünschter Großinvestor nicht in Sicht

Ohne Boom-Town-Euphorie und die damit verbundene überbordende Bodenspekulation machen Großprojekte plötzlich viel weniger Spaß. Aktuelles Opfer: Die sogenannte Mehrzweckhalle, eine Milliarden-Spekulation, der das Deckmäntelchen einer notwendig defizitären Sporthalle übergestülpt wurde. Wirtschaftssenator Hans- Jürgen Krupp, dessen Behörde federführend das Mammutprojekt in der City Süd betreut, hat dieser Tage eingeräumt, man sei „aus dem Zeitplan raus“, demzufolge noch vor der Wahl 1995 die neue Halle eingeweiht werden könne. Und, noch deutlicher: „Wir wollen die Halle, aber nicht um jeden Preis.“

Was der gelernte professorale Ökonom damit andeutet, ist ein Planungsdebakel gleich an zwei Fronten. Zum einen hat die Stadt nach ihrer langen dilettantischen Standort-Suche mit dem Klostertor einen zwar auch von Projektkritikern weitgehend akzeptierten Platz ausgeguckt, aber die Kosten unterschätzt: Die Verlagerung des Großmarktes, so stellte sich jetzt heraus, wird weit mehr öffentliche Gelder verschlingen als geplant. Weitgehend „kostenneutral“, so die Senatsmarschroute, sollte die öffentliche Hand sich segnend über die Investoren breiten.

Das schien zunächst auch möglich. Kein Wunder schließlich, daß nach Jahrzehnten folgenloser Projektion die Mehrzweckwaffe Mehr-

1zweckhalle in der Boomtown-Euphorie der Jahre 1989/90 plötzlich zum stadtpolitischen Renner wurde, sich geradezu Schlangen von willigen Investoren bildeten. Für finanzstarke Anlagekonsortien bildet der Bau von „Hallen“ nämlich ein beliebtes Einfallstor in neue Stadtgebiete. Die Hallen, von Politik und Öffentlichkeit erwünscht, sind, so die weltweite Erfahrung, defizitär, also vom Markt eigentlich nicht erwünscht. Verdient wird an diesen Projekten deshalb erst durch die städtischen Zugaben. Büros und Konsumeinrichtungen, mächtig Land rings um die Halle herum, durch neue Infrastruktur sowie die Halle selbst wertmäßig ordentlich aufgewertet, sind das

1entscheidende Zuckerchen fürs Spekulationskapital.

In Hamburg schien die Goldader rings um die geplante Arena derart ergiebig, daß die Investoren zunächst bereit schienen, der Stadt recht ordentliche Bodenpreise zu bezahlen, womit zumindest ein erheblicher Teil der öffentlichen Geschenke abgegolten worden wäre. In der Wirtschaftsbehörde träumte man gar den Traum von der Lösung aus einer Hand: Ein Großinvestor, der sowohl Arena, das Drumherum als auch die Verlagerung der Großmarkthalle bezahlt. Doch plötzlich ist alles anders: Während die Weltrezession andauert, die deutsche Konjunktur kippt und Hamburgs Bommtownvisage mit einem blauen

1Veilchen verunziert ist, rechnet sogar die betuliche Hamburger Landesbank für 1995 mit einem Büroflächen-Überangebot von 600000 Quadratmetern. Auch dann werden Toplagen durchaus auf Nachfrage treffen, Preisutopien aber werden sich nicht realisieren lassen. Schon heute gilt es unter Immobilienspezis als fraglich, ob sich die gigantischen Projekte an der Kehrwiederspitze und der Ericusspitze, die auf Quadratmetermieten von bis zu 70 Mark kalkuliert sind, überhaupt rechnen.

„Die Spekulanten werden plötzlich vorsichtiger“, so konstatiert man traurig in der Wirtschaftsbehörde. Tatsächlich: Kein Großinvestor ist in Sicht, die vielen Kleinen

1wollen weit weniger zahlen. Steigende Kosten und sinkende Erlöse aber, so eine alte wirtschaftliche Grundwahrheit, machen aus einer „fast kostenneutralen Lösung“ eine superteure Angelegenheit. Das will Krupp der Stadt nicht antun, Wahltermin hin, Voscherau-Versprechen her. Der bedächtige Zauderer will auf Zeit spielen, das seiner Meinung nach trotz allem lukrative Projekt in einer trotz allem zielstrebig aufblühenden Stadt erst dann festklopfen, wenn die Konditionen für Stadtkasse und Stadtgestaltung erträglich sind. Im September will sich die Wirtschaftsbehörde mit einem entsprechenden Zwischenbericht in den Senat wagen. Florian Marten

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