Razzia im »Romana«

■ In martialischer Verkleidung und Lederhandschuhen auf Verfolgungsjagd

Die Männer der Wache 16 an der Lerchenstraße fühlen sich „wie an der Front“ — an der Front im Kampf gegen die linke Szene, in ihren Augen „destruktive, bekiffte Ratten“. Als Avantgarde fühlen sich die Mannen der „16E“-Schicht. Kaum eine Demo, ohne daß sie im Einsatz sind. So auch am 6. Juli dieses Jahres, als im Schanzenviertel wegen des Münchner Kesseltreibens (Weltwirtschaftsgipfel) rund 150 Menschen demonstrierten.

Zuerst veranstaltete die „16E“-Truppe eine wahre Foto- Session, lichtete zahlreiche TeilnehmerInnen ab — obwohl dies nach geltender Rechtsprechung ein rechtswidriger Eingriff in das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit ist. Erst als Revier-Vizechef Günther Jaspert seine „16E“-Leute belehrte und wegschickte, verlagerten sie ihre Aktivitäten. Nunmehr mischten sie sich mit Rücksäcken „getarnt“ unter die Demonstranten.

Vergebens. Sie wurden erkannt. An der Ecke Susannenstraße/Bartelsstraße verkrümelten sie sich deshalb in einen Gemüseladen, um eine Tafel Kinderschokolade zu kaufen. Doch Fahnder Markus Priebe wurde von Demonstranten, die ihn necken wollten, in den Laden verfolgt, sie forderten den Verkäufer auf, dem „Schwein Priebe“ und an „Zivi-Bullen“ nichts zu verkaufen.

Als ein Mann ihm seine Mütze vom Kopf haut, schlägt Priebe um sich. Diesen Vorfall beobachtet Rainer Woelfert von der gegenüberliegenden Straßenseite, der daraufhin zu Priebe geht, um ihn wegen des Knöllchenkriegs (siehe oben) anzusprechen. Woelfert: „Ich habe nur mit ihm reden wollen, was das mit den Tickets soll, habe ihn keineswegs bedroht.“ Ohne Vorwarnung bekommt er eine Ladung Kampfgas „chemical mace“ ins Gesicht.

Nachdem sich Woelfert in dem türkischen Gemüseladen das Reizgas aus den Augen gewaschen hatte, traf er wenig später Priebe in der Bartelsstraße wieder und kündigte ihm an: „Das wird strafrechtliche Folgen haben.“ Doch noch bevor der Strafantrag wegen Körperverletzung bei der Staatsanwaltschaft aktenkundig geworden ist, bekam Woelfert Nachricht, daß Priebe gegen ihn wegen Beleidigung und versuchter Körperverletzung Anzeige erstattet hat.

Für die „16E“-Schicht war nach dem Vorfall an der Susannenstraße an jenem Abend noch kein Feierabend. Gegen 20 Uhr führten sie eine Razzia in der Pizzeria „Romana“ durch. Grund: „Nötigung, Raubüberfall“. „16E“-Fahnder wollen beobachtet haben, wie Beteiligte der Auseinandersetzung um die Kinderschokolade dort zum Essen gegangen seien. Alle Gäste wurden gefilzt. Polizeisprecher Dankmar Lund: „Es waren Straftaten begangen worden. Das war keine Razzia, das war eine ganz normale Personalienfeststellung.“ Bei dieser normalen Personalienfeststellung trug die „16E“-Truppe — trotz Affenhitze — ihre bewährten Lederhandschuhe. Damit kann man nämlich verletzungsgeschützt ordentlich zuschlagen. Peter Müller/Kai von Appen