„Sie behandeln uns wie Dreck“

■ Unruhen an der Moskauer Lumumba-Universität nach dem Tod eines schwarzen Studenten: „Du kannst froh sein, wenn sie dich nur als ,schwarzen Bastard‘ beschimpfen“

Moskau (wps/ap/taz) — Mit der vielgerühmten Völkerfreundschaft an der Moskauer Lumumba-Universität ist es vorläufig vorbei. Als am Mittwoch abend eine Demonstration überwiegend schwarzer StudentInnen von bewaffneten Polizisten gewaltsam aufgelöst wurde, kam es zu Auseinandersetzungen, die das russische Fernsehen „mit den jüngsten Rassenunruhen in Los Angeles“ verglich. Brandbomben und Steine seien auf „unschuldige Polizisten“ niedergeprasselt, Verkaufsstände und Autos in Brand gesetzt worden. Weil der Verkehr blockiert worde, sei man schließlich dazu gezwungen gewesen, Spezialeinheiten des Innenministeriums anzufordern.

Betroffene Studenten schildern dagegen, wie die Polizei einzelne von ihnen umzingelte und sie dann mit Tritten in den Unterleib und Gummiknüppeln tracktierte. „Das ist purer Rassismus“, sagt Lateef Ogboye, ein 33jähriger Student aus Nigeria, nach den Auseinandersetzungen. „Diese sogenannten Polizisten behandeln uns wie Dreck. Das gehört zu unserem Alltag im Studentenwohnheim. Du kannst verdammt froh sein, wenn sie dich nur als ,schwarzen Bastard‘ beschimpfen.“

Über die Hintergründe der „Gedenkkundgebung“ erfuhren die MoskauerInnen allerdings denkbar wenig. Diese war von StudentInnen kurzfristig organisiert worden, nachdem am Vortage ein russischer Polizist den 25jährigen Studenten Gideon Chimusoro aus Simbabwe erschossen hatte. Die Studenten befürchteten, daß der Fall nie vor Gericht käme. Die russische Justiz, sagten die DemonstrantInnen, habe „zu große Vorurteile“ und werde der „Version der Afrikaner über den Mord“ kaum Glauben schenken.

Tatsächlich stehen sich die Aussagen beider Seiten diametral gegenüber. Nach Angaben der Polizei war der Schuß „Notwehr“. Eine Gruppe von Studenten sei verwarnt worden, weil sie „Obszönitäten von sich gaben“. Daraufhin hätte man die Beamten mit Flaschen beworfen, worauf einer der Kollegen „seine Dienstwaffe gebrauchen mußte“.

Ganz anders beschreiben die afrikanischen Studenten das Geschehen. Fünf Studenten aus Simbabwe hätten am Dienstag bei einem Picknick mit Wodka und Bier zusammengesessen um die Unabhängigkeit ihres Landes zu feiern. Der Hund von zwei Polizisten, die nicht weit ab ebenfalls beim Wodka saßen, habe einen von ihnen fast gebissen — den Studenten Brave Rusike. „Als Rusike nach dem Hund trat, kam einer der Polizisten rüber und es begann eine heftige Diskussion“, sagt Anthony Phisi, der mit am Tisch gesessen hatte. „Der Polizist hat meinen Freund ins Gesicht geschlagen und ihm seine Waffe an die Brust gehalten. Rusike hat hinter einem Baum Schutz gesucht. So hat er Gideon erwischt und direkt in den Nacken geschossen.“ Als die Studenten gemerkt hätten, daß er tot sei, seien sie „ausgerastet“: „Weil wir schwarz sind, werden wir diskriminiert,“ sagt einer von ihnen. „Die Russen wollen nicht, daß wir ihre Freunde sind.“ Gegen den Polizisten, der Gideon Chimuroso erschoß, wird inzwischen ermittelt: Wegen „Amtsmißbrauchs“. BZ