Umbruch beim Tagesspiegel

■ Mitherausgeber Hädler verläßt die Zeitung/ Anfragen beim Bundeskartellamt wegen Beteiligung anderer Verlage

Berlin. Beim Tagesspiegel stehen die Zeichen auf Veränderung. Der Herausgeber und Geschäftsführer Christian Hädler wird das Blatt verlassen. Er war 32 Jahre für den Verlag tätig, davon 24 Jahre als Geschäftsführer. Wie Mitherausgeber Lothar C. Poll gegenüber der taz bestätigte, haben sich »das Haus und Herr Hädler darauf geeinigt, daß er sich zurückzieht«. Zu Gründen für diesen überraschenden Schritt wollte Poll keine Stellung nehmen. Hintergrund dürften die Neuerungen sein, mit denen der Verlag auf den verschärften Konkurrenzkampf auf dem Berliner Medienmarkt reagiert. So verhandelt der Tagesspiegel bereits seit einiger Zeit mit der hundertprozentigen Gruner+Jahr-Tochter Berliner Verlag über ein gemeinsames Vertriebssystem und eine gemeinsame Nutzung der dem Tagesspiegel gehörenden Mercator-Druckerei. Gedacht ist an den Druck der Berliner Zeitung auf den Rotationsmaschinen an der Potsdamer Straße, ein Auftrag, der nach Angaben des Berliner Verlages 50 Millionen Mark umfaßt. Eine Summe die der Tagesspiegel gut gebrauchen könnte, um auf dem enger werdenden Markt bestehen zu können. Wie einer internen Mitteilung der Verlagsleitung zu entnehmen ist, hat die Geschäftsführung zudem begonnen, »mit verstärkten Rationalisierungsmaßnahmen, einem strafferen Kostenmanagement und der Überprüfung personeller Strukturen in allen Bereichen des Unternehmens auf die veränderten Marktbedingungen zu reagieren«.

Sollte das nicht ausreichen, besteht noch die Möglichkeit der Beteiligung eines weiteren Verlages am Tagesspiegel. Wie Poll erklärte, gebe es Gespräche »mit einer Reihe von Verlagen«, allerdings nur über »technische Kooperation«.

Anscheinend werden auch Gespräche über eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung geführt. Denn die Verlage Gruner+Jahr und Holtzbrinck (Handelsblatt) haben sich schon mal vorsorglich beim Bundeskartellamt erkundigt, ob Bedenken gegen eine Beteiligung am Tagesspiegel bestehen. Die Wettbewerbshüter würden, so ihr Sprecher Hubertus Schön, eine Beteiligung von Gruner+Jahr kritischer sehen als ein Engagement des Holtzbrinck- Verlages. Denn letzterer ist bislang noch nicht auf dem Berliner Markt präsent, während sich bei ersterem bereits die Frage stellen würde, ob er dann nicht zusammen mit dem Springer-Verlag auf dem Berliner Markt ein Oligopol bilden würde. Eine Beteiligung am Tagesspiegel werde nach Schöns Ansicht auf jeden Fall geprüft. Die jetzigen Eigentümer des Verlages, die Pressestiftung Tagesspiegel und die beiden Erbengemeinschaften der Gründer besitzen 79,5 Prozent der Anteile, 20,5 Prozent werden von der Gesellschaft selber gehalten. Deren Veräußerung müssen alle Gesellschafter zustimmen. Ende des Monats wird sich das Kuratorium der Stiftung mit den Ergebnissen der bisherigen Gespräche befassen. Welches Votum dieses entscheidende Gremium auch fällen wird, eines steht für Poll fest: Es werde mit Sicherheit keine Kooperation im redaktionellen Bereich geben. Dieter Rulff