MIT FRÜHEREN KRIEGSREGIONEN AUF DU UND DU
: Die neue Front

■ Irans Regierung will Wirtschaftsreformen vorantreiben

Teheran (AFP/taz) — Der Iran hat ein letztes Relikt der Kriegswirtschaft beseitigt. Seit letzter Woche sind in dem islamischen Gottesstaat die Gutscheine für Lebensmittel und Konsumgüter verschwunden. Die Marken waren zu Beginn des Golfkrieges mit dem Irak im September 1980 eingeführt worden. Knapp zwölf Jahre später passen die Gutscheine für subventionierte und rationierte Produkte jedoch nicht mehr in die neue iranische Wirtschaftspolitik, die eine Verringerung der staatlichen Subventionen anstrebt und sich endgültig von den Überbleibselns der Planwirtschaft verabschieden will.

Die Abschaffung der Gutscheine werten denn auch Wirtschaftsexperten als ein Zeichen dafür, daß Präsident Haschemi Rafsandschani es mit dem Übergang zur Marktwirtschaft tatsächlich ernst meint. Nicht zuletzt der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank hatten die Teheraner Führung zu einem raschen Ende des Gutscheinsystems gedrängt. Der Planungsleiter der Regierung, Massud Roghani Sandschani, erklärte auf einer Pressekonferenz, mit dieser Entscheidung beginne nun die zweite Phase der „Angleichung der Wirtschaft“. In der ersten Phase war der staatliche Interventionismus drastisch verringert und private Investitionen verstärkt gefördert worden. Im Rahmen der zweiten Phase soll nun auch der Kurs der Landeswährung, des Rial, schrittweise freigegeben werden. Dies trifft insbesondere die iranischen Unternehmer hart, die ihr Material im Ausland einkaufen müssen. Statt 70 Rial werden sie in Zukunft bis zu 1.420 Rial für einen Dollar zu zahlen haben. Präsident Rafsandschani wies jedoch bereits Mitte Juli darauf hin, daß ohne eine Anpassung der Währung keine Geschäfte mit dem Ausland möglich seien.

Die iranische Wirtschaft hatte durch den achtjährigen Krieg mit dem Irak schwere Schäden erlitten. Die direkten Kriegsschäden werden auf 400 Milliarden Dollar, die indirekten auf 210 Milliarden US- Dollar beziffert. Die Industrieauslastung sackte auf ein Drittel ab. In der Bevölkerung wuchs der Unmut über die Reformen, die sich mit dem Frieden ein Ende der Entbehrungen erhofft hatten. Doch die ersten Maßnahmen zur Liberalisierung der Wirtschaft haben die Inflation angeheizt; Experten schätzen die Inflationsrate des letzten Jahres auf mindestens 40 Prozent.

Der von Rafsandschani vertretene Kurs stößt auch nach wie vor sowohl bei konservativen wie radikalen Vetretern des Mullah-Regimes auf heftigen Widerstand. So nutzte Rafsandschani das jüngste Freitagsgebet in der Teheraner Universität, um die Gegner von der Notwendigkeit der Reformen zu überzeugen. Die Liberalisierung der Wirtschaft sei eine „absolute Notwendigkeit“ für die Regierung und die islamische Gesellschaft; die Welt habe bereits erlebt, wie das kommunistische Prinzip eines rationierten und durch Gutscheine geregelten Marktes zusammengebrochen sei.