Minister bespitzelt?

■ Neue Affäre belastet Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Münch

Magdeburg (taz) — Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Werner Münch (CDU) gerät immer mehr unter Druck: Angesichts der angeblichen Ausspähaktion seines Stellvertreters und Umweltministers Wolfgang Rauls (FDP) und dem Vertrauensentzug von vier CDU-Abgeordneten hält FDP-Fraktionschef Haase ein Mißtrauensvotum gegen den Christdemokraten für unabwendbar. Damit wäre Münchs Zeit als Ministerpräsident wahrscheinlich beendet, sagte Haase gegenüber dpa.

Vor zwei Wochen hatte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel erstmals behauptet, daß Rauls vom Verfassungsschutz bespitzelt worden sei. Im Brustton tiefster Überzeugung hatte Ministerpräsident Münch im Chor mit seinem Innenminister Hartmut Perschau (CDU) betont, daß kein Mitglied der Landesregierung jemals die Anweisung gegeben habe, den populären Minister Rauls auszuforschen. Die Beweise, die der Spiegel in seiner jüngsten Ausgabe vorlegt, lassen solche Behauptungen fragwürdig erscheinen.

Im September vorigen Jahres habe Perschaus Staatssekretär Hans- Peter Mahn beim niedersächsischen Verfassungsschutz nachgefragt, ob es noch weitere Erkenntnisse über Rauls gebe, schreibt das Blatt unter Berufung auf den Chef des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Hansjürgen Knoche. Zuvor hatte ein ehemaliger Stasi-Major in Hannover hinterlassen, daß es „Hinweise auf eine frühere IM-Tätigkeit von Rauls“ gebe. Die Bitte um weitere Auskunft in Hannover, so mußte Mahn glauben, war eine Anfrage bei alten Freunden und Kollegen. Denn der jetzige Staatssekretär im Magdeburger Innenministerium war einst selbst Chef der Verfassungsschützer in Hannover. Aber die alten Verbindungen halfen nichts, die Ex-Kollegen hielten dicht. Deshalb setzte Mahn den Vertreter des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Magdeburg, Jürgen Schaper, in Bewegung. In Schaper traf er den richtigen, denn der wollte beim künftigen Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt Karriere machen und sah offensichtlich in Mahns Ansinnen die Chance, entsprechende Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

Mahn selbst bezeichnete die Vorwürfe in einer ersten Stellungnahme gegenüber der taz als „absoluten Schwachsinn“. Er habe seit zwei Jahren nicht mit Knoche gesprochen.

Politische Beobachter in Magdeburg gehen davon aus, daß in dieser Spitzelaffäre demnächst der erste Kopf rollt. Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuß, den der kleine Koalitionspartner gemeinsam mit der SPD-Opposition fordert, soll Klarheit darüber bringen, ob Münch und Perschau wirklich so unbeteiligt sind, wie sie behaupten. Eberhard Löblich