Putschisten-Verse für Sieger und Verlierer

Während sich Kommunisten und Umstürzler in Büchern verewigen, feiern Bisnessmenij ihren Erfolg  ■ Aus Moskau K. H. Donath

Ausnahmsweise mal pünktlich erscheint zum Jahrestag des Putsches im Moskauer Verlag „Palea“ eine „Rarität“. Das zumindest verkünden die Verlagsmanager. Anatolij Lukjanow — was läßt sich über ihn sagen? Putschist, langjähriger Freund Gorbatschows und ausgedienter Vorsitzender des Obersten Sowjets — meldet sich aus der Tiefe seiner neuen Heimstätte, „der Matrosen Ruhe“, wie der Knast im Moskauer Zentrum heißt, lyrisch zu Wort. Lukjanow ist fleißig, und wie alle großen Russen liebt und beherrscht er jegliches Versmaß. Auch scheint von Puschkin zu Putschist für ihn kein großer Schritt zu sein.

„Lieder des Protestes“, heißt der Titel seiner Gedichtsammlung, die um die Ereignisse des letzten Augusts kreist. Daß Lukjanow auch musisch begabt ist, zeigte er bereits während des Putsches, als er sich piano piano aus der Verantwortung stehlen wollte. Dennoch sitzt er seither bei den Matrosen, ein eher grobschlächtiges Volk, und dichtet, anstatt zu singen. Lukjanow, ganz Befehlsempfänger, hält sich an die Hausordnung, die „Ruhe“ verlangt. Nebenbeigesagt, seine ersten Verse sollen nicht schlecht gewesen sein.

Das veranlaßte dann auch wohl den Buckingham Palast und die Bibliothek des amerikanischen „Weißen Hauses“, das japanische Außenministerium und den viel gepriesenen Revolutionsführer Kim il Sung zu einer Sofortbestellung Lukjanows Werkes. Das zumindest verbreitet die Werbeabteilung des Verlagshauses, und die ist tatsächlich auf Draht. In ihrer Sammlung „Leben bemerkenswerter Russen“ erscheint zur Zeit eine Portrait-Reihe übelster Scharfmacher des rechten national- patriotischen Flügels: Von dem KGB-„Journalisten“ Newzorow, der kürzlich in Schottland eine Prinzessin heiraten wollte, bis hin zum hackenknallenden General Makaschow, dessen Horizont spätestens am Säbelknauf endet. Auch hierfür liegen Bestellungen der größten Bibliotheken der USA und Europas vor. Selbst die „Führer des russischen Weißen Hauses“ hätten, so der Verlag, schon zugegriffen, weshalb die Auflage schon vor Erscheinen vergriffen ist.

Doch wie Lukjanow wird außer in Buchform keiner der unbelehrbaren Kommunisten an den ausgedehnten Feierlichkeiten „zum Gedenken des Sieges“ teilnehmen. Man kann es ihnen nicht verdenken, denn diesmal kriegen andere die Medaille. Auch die Nutznießer des „Sieges“, die Bisnessmenij und Broker, die sich die Feierlichkeiten einiges haben kosten lassen, kommen erst in letzter Minute nach Moskau. Bis heute früh weilten sie in Sotschi am Schwarzen Meer — in unmittelbarer Nachbarschaft Präsident Jelzins. Mit ihm spielten sie Tennis und schützten „Boris“ dabei vor Häschern.