Vogelfrei in Ritzenbergen

■ „Wer Krieg will...!“ - Ein Dorf macht mobil gegen mißliebigen Neubürger

„Wer Krieg will, kann Krieg haben!“ Das künden großformatige Plakate im kleinen Weserdorf Ritzenbergen. Nein, hier wollen sich keine übereifrigen Provinzpolitiker in die Weltpolitik mischen, hingegen soll ein vermeintlicher Angriff auf den Dorffrieden abgewehrt werden.

„Das Dorf“, so heißt es auf dem Plakat, „in dem wir (normalerweise) friedlich und einig leben, wird neuerdings von hartnäckigen Unruhestiftern heinmgesucht. Gegen nahezu jeden Ritzenberger wurde schon eine Anzeige bei der Polizei angezettelt, und das wegen belangloser Bagatellen. Es wird Zeit, daß diesem Treiben ein Ende gemacht wird.“

Und der Klartext folgt sogleich: „Jede Möglichkeit, diese Personen zu erniedrigen und zu verärgern, muß genutzt werden. Sie sind in Ritzenbergen als 'vogelfrei' zu betrachten.“

„Diese Personen“ sind der im Kaffeefahrten-Geschäft tätige Wilfried Wagenführer und seine Lebensgefährtin. Man habe gleich gemerkt, so Wagenführers Nachbarn, daß der Neue mit der Dorfgemeinschaft nichts zu tun haben wolle. Zum Beispiel habe er hartnäckig die Teilnahme an den Erntefesten verweigert. „Doch dann“, so die Nachbarn, „kam es noch dicker!“ Wagenführer wollte der Natur vor seiner Haustür einfach nicht mehr ihren Lauf lassen. Mit der Nachbarin legte er sich an, weil ihre Unkrautsamen in seinen Garten wehten; einem Landwirt drohte er Schläge an, weil dessen Kühe beim täglichen Weideauftrieb just vor seinem Haus ihre Fladen fallen ließen. Dabei würden gelegentliche Spritzer gar die Karrosserie seines Wagens anfressen, beschwerte sich der Ritzenberger Neubürger. Außerdem hätten viele seiner Freunde wegen des Drecks auf der Straße schon keine Lust mehr, ihn zu besuchen.

„Soll ich etwa hinter jeder Kuh mit Eimer und Schaufeln herrennen?“ klagt der bedrohte Landwirt. Auch die aus Blender herbeigeeilte Bürgermeisterin konnte den Frieden im Ort nicht wieder herstellen. Längst hatte sich eine heimliche Bürgerwehr gebildet. Erklärtes Ziel ihrer Mobilmachung: „Die Schandflecken unseres Dorfes aus Ritzenbergen zu vergraulen“.

Die volle Wucht der im Zorne geeinten Dorfgemeinschaft werden die beiden „Vogelfreien“ demnächst zu spüren bekommen: In drei Wochen wird in Ritzenbergen ein zünftiges Schützenfest gefeiert — auf der Wiese direkt gegenüber von Wilfried Wagenführers Haus. asp