Kanal offen, noch nicht voll

■ Premiere am Mittwochabend: Vier Stunden Offener Kanal, das selbstgemachte bremische Fernsehen

Das sollte man nicht: Augen, Ohren, Erwartungen, Vorfreude und Kriterien an Spielfilmen oder Report-Sendungen orientieren und dann den Offenen Kanal gucken wollen. Denn jede und jeder kann Videos drehen, auch die letzte Urlaubs-Reise, und unzensiert im Offenen Kanal senden, schon halbprofessionell oder auch völlig ahnungslos gedreht.

Am Mittwoch startete der Bremer Offene Kanal Fernsehen, mit sage und schreibe vier Sende- Stunden am Stück, und es gab sieben Filmbeiträge und meist gelungenen Trailer dazwischen; das sieht am Stück aber freiwillig wohl niemand. Man könnte nach Interesse hingucken, wenn vorweg in den Zeitungen nicht nur spröde die Titel angekündigt würden, sondern mehr: was läuft, welches Thema, und ob Satire, Interview, Bericht, Reportage, Spielfilm.

Die meisten Filme waren schlicht zu lang, gestrafft und konzentriert wären sie weniger ermüdend gewesen. Es ist schade, wenn in einem „Interview“ mit einem türkischen Maler die Kamera eisern und starr die beiden Gesprächspartner auf den Schirm bannt, wenn der Name des Malers, Cem Teskin, nur Sekunden im Bild ist, der des Filmemachers aber lang und breit, wenn man von den Bildern, um die es schließlich geht, fast nichts sieht in Farbe. Eigentlich ein spannendes Thema zwischen Kultur und Politik!

Es ist daneben, in einem Beitrag über den „Täter-Opfer-Ausgleich“ eine Dreiviertelstunde lang keine einzige Frau ins Bild zu setzen, auch nur eine einzige lebendige Szene zu nachzudrehen, in der sich Täter und Opfer zu verständigen versuchen, und die restlichen 40 Minuten lang ganze Serien von sympathischen Staatsanwälten, Richtern, Polizisten, Jugendrichtern ins Mikrofon sprechen zu lassen, wie prima das Projekt ist und wie es funktioniert. Dieser Beitrag war sehr sorgfältig und umfassend recherchiert, aber nur von der Behörden- und Ämterseite aus. Die Menschen, als mögliche oder ehemalige NutzerInnen der Einrichtung kamen fast nicht vor.

Mit den „5 Kurzfilmen“, sehr um Witz bemüht, hätte man spielend einen Kindergeburtstag von Achtjährigen unterhalten können, für erwachsenes Publikum sind heftige Zweifel erlaubt. Hier hatte aber der Filmer immerhin sehr verschiedene Präsentationsformen ganz passabel ausprobiert und auch zügig Einstellungen und Szenen gewechselt.

Einen erfrischend kurzen (11 Minuten), merkwürdig un- oder überwirklichen Streifen hat Sascha Würdemann gedreht und es hingekriegt, daß der Spannungsbogen und das Rätsel bis zum Schluß hält, obgleich fast keine Handlung passiert und die Dialoge bewußt manieriert und künstlich sind.

In eigener Sache will der Streifen „Schlachthof Findorff / Offener Kanal“ übers Filmemachen berichten, leider nicht geeignet, Neulingen richtig Lust zu machen. Dauernd zeigen Finger von Menschen auf Geräte, und Stimmen sagen Sätze wie „Das ist ein Schnittplatz“.

Aber dann das unvergleichliche Radio Parkstraße! „Der Film 'Aufgetaut' zeigt das Kloster Blankenburg und das neue Leben in Bremen“, so kündigt schlicht einer der ehemaligen Psychiatrie- Patienten an, die aus der geschlossenen Anstalt Blankenburg in die Bremer Freiheit der betreuten Wohngemeinschaften kamen. Eine spannende, anrührende, witzige Stunde lang zeigt der Film mit den vier Blankenburg-Patienten Jürgen Dibbern, Egon Kahlbow, Jürgen Köster und Hans-Joachim Rexin, was das Leben früher war; einer spricht vor laufender Kamera bei einem Ausflug zur längst geschlossenen Anstalt über Leichenkeller, Schläge, Anstaltsarbeit, aber auch über Heimweh. Der Film zeigt mit großer Ruhe immer wieder die Gesichter der vier, läßt sie zu Bekannten werden, die nachdenklich, hoffnungsvoll kicherig, ernst sind. Das neue Bremer Leben: heißt eigene Zimmer, die man auch abschließen kann, heißt Obst essen im Garten und Elvis Presley-Lieder singen, heißt Besuch bei Blaumeiers und bei ihrem unvergessenen Bahnhofs-Theater-Spektakel.

Es gibt ganz geduldige und ganz lebendige Bilder, schnelle Schnitte mit schneller Musik, ruhige Einstellungen auf Hände, die ganz sorgfältig ein Glas Cola eingießen. Manchmal war das Bild ein bißchen dunkel. Völlig egal. Ein Film voller Hoffnung, Humor, guter Laune, Nachdenklichkeit. Susanne Paas

Nächste Sendung: 26.8., 17.10bis 21 Uhr, über Kabel (Sonderkanal 4), Programm im aktuellen „bremen heute“ in der taz