: Oberneuland soll schön bleiben
■ Volle Halle beim Beirat Oberneuland gegen „Krebsgeschwür“ Drogenproblem
Gut 500 Oberneuländer füllten am Mittwoch abend die Turnhalle des Ökumenischen Gymnasiums, als der Beirat das Thema „Unterbringung von obdachlosen, drogenabhängigen Menschen“ am Achterdiek auf der Tagesordnung hatte. Die übergroße Mehrheit im Saal war sich einig: Junkies sollen nicht in den feinen, grünen Stadtteil. Applaus gab es um so mehr, je klarer die Abgrenzung gezogen wurde: „Dieser Stadtteil ist noch gesund. Wenn Sie das Krebsgeschwür aus dem Ostertor über die ganze Stadt verteilen wollen, geht die ganze Stadt kaputt“, formulierte eine langjährige CDU-Politikerin.
Die Gegner einer Container- Aufstellung am Achterdiek wollten den Drogenabhängigen wirklich helfen: Container seien unmenschlich, weil sie das Problem Drogenabhängigkeit nicht lösen, sondern den Kreislauf von Drogenkonsum und Beschaffungskriminalität nur unterstützen und verlängern. Die SPD ist es gewesen, die „diesen Sumpf im Ostertor zugelassen“ und auf den Schulhöfen keine Aufsicht über den Handel mit Einstiegsdrogen organisiert hat. Bremen hat mit seiner Liberalität die Drogenhändler angezogen „und jetzt sollen wir es ausbaden“, meinte die CDU-Vorständlerin Elisabeth Motschmann, Dealer gehörten ins Gefängnis. Applaus, Applaus. Der CDU-Beiratssprecherin Landmann meinte, Drogenabhängige am Achterdiek würden dieses Gebiet, in dem Menschen ohne Garten aus Tenever ihre freien Stunden verbringen, entwerten, Drogenabhängige seien zudem wegen der nahen Verkehrsstraßen gefährdet und für Autofahrer sei es im Übrigen auch „unangenehm“, wenn sie in Unfälle mit den schwankenden Gestalten verwickelt würden. Nicht zuletzt würden Kinder durch die Präsenz der Junkies „in Versuchung geführt“. Applaus, Applaus.
Drogenabhängige seien Kranke und „Schwerstkriminelle“, meinte eine andere Frau, sie würden einem in die Augen sehen und aus ihrer Not gleichzeitig ein Messer iun den Bauch rammen, um ein paar Mark zu erbeuten. „Dieser wunderschöne Stadtteil“ müsse erhalten werden, „wenn wir ihnen wirklich helfen wollen“, müsse man sie in Zwangstherapie schicken. Applaus, Applaus.
Der anwesende Staatsrat des Sozialressorts, Dr. Hoppensack hatte wenig Unterstützung im Saal, selbst die SPD-Beiräte hielten es für ratsam, sich von ihm zu distanzieren. Es gebe „gute Grände“ für Anwohner, besorgt zu sein, das helfe allerdings den politisch Verantwortlichen nicht: Sie müßten entscheiden, „an dieser Einsamkeit tragen wir schwer“. Andere Stadtteile hätten von der Last der Unterbringung von Asylbewerbern und Drogenabhängigen bisher mehr aufgeladen bekommen als Oberneuland, vergleichbare Befürchtungen der Anwohner in der Roonstraße oder bei der Jola hätten sich allerdings nicht bestätigt.
Die Initiative gegen die Aufstellung der Container fühlt sich durch unwahre oder unklare Angaben hinters Licht geführt. Wortreich wehrten sich die Vertreter der Sozialbehörde gegen den Vorwurf, „kein Konzept“ zu haben. Sozialamtsleiter Leppin räumte gleichzeitig aber ein, daß Anwohner mit ihren Einwänden Recht hätten, wenn sie nur eine Ganztagsbetreuung und eine Unterbringung in kleinerer Anzahl für vertretbar hielten.
Die Sozialbehörde brachte auch eine Wiese und eine seit Jahren leerstehende Immobilie in der Rockwinkler Landstraße ins Gespräch. Von derartigen Alternativen wollten der Saal und die CDU-Mehrheit im Beirat aber nichts wissen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klein, auch Bürger Oberneulands, nutzte die Gunst des vollen Saales, um der abwesenden Sozialsenatorin Gaetner ihr Kneifen vor der Bürger- Debatte vorzuhalten. Er regte an, daß der Beirat keinen Beschluß zur Sache fassen solle, sondern die Sozialsenatorin für einen neuen Termin laden könnte.
„Damit hat der Beirat die Möglichkeit, bei der konkreten Realisierung mitzureden, aus der Hand gegeben“, meinte die anwesende Sozialdeputations-Sprecherin Karoline Linnert dazu. K.W.
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