Antirassismus und Gewalt in Eberswalde

■ Linke, Rechte und die Polizei kamen zur Gedenkveranstaltung für den Angolaner Amadeu Antonio

Eberswalde (taz) — Die Eberswalder BürgerInnen. Sie stehen am Rande des Marktplatzes, starren auf die rund 1.000 Menschen, die an diesem Mittwoch zur Kundgebung gekommen sind. „Das ist doch schlimm“, murrt die Frau vor dem Gemüseladen, „dieser Rassismus und die ganzen Rechten da.“ Mit zusammengezogenen Brauen beobachtet sie die DemonstrantInnen. Daß die sich in der ostdeutschen Kleinstadt versammelt haben, um gegen Fremdenhaß zu protestieren, hat die Frau nicht mitbekommen. Ihre Bekannten und Nachbarn auch nicht. Aber wer auf die Straße geht, ist ihnen suspekt.

Verwirrung herrscht auch bei der Polizei. 150 Mann sollen die Gedenkveranstaltung schützen, mit der mehrere Initiativen an den Tod von Amadeu Antonio erinnern wollen. Der Angolaner war im November 1990 von Skins und Heavys aus Eberswalde und Umgebung totgeschlagen worden. „Da oben kommen schon die Rechten“, meint ein Uniformierter und zeigt auf eine Handvoll Jugendlicher. Er täuscht sich. Die Schwarzgekleideten sind Autonome. Knapp 200 Leute aus Berlin sind angereist, um die antirassistischen Initiativen aus Eberswalde und Schwedt zu unterstützen. Alkoholisierte, randalefreudige Kids sind auch dabei.

Später kommen die Rechten tatsächlich. Die Polizei fordert Verstärkung aus Berlin an, vor allem um das Flüchtlingsheim zu sichern. Aus den Seitenstraßen heraus greifen die Skins den Demonstrationszug an. Leuchtspurmunition wird abgefeuert, Schreckschußpistolen knallen, es gibt Scharmützel — auch mit der Polizei. Der Eberswalder Polizeisperecher Herrmann behauptet am nächsten Tag, „Kreuzberger Autonome haben sich mit Linken aus Eberswalde geprügelt“. „Man müßte noch mehr Neger totschlagen!“ ruft ein Eberswalder den DemonstrantInnen zu. Eine Frau hat sich ihr Luftgewehr geschnappt. Von ihrem Fenster schießt sie auf den Zug, verletzt eine Frau. Dann schnappt die Polizei sie. Vier weitere Festnahmen habe es gegeben, berichtet Polizeisprecher Herrmann — alles Leute aus Berlin. Elf Beamte sollen verletzt worden sein, wieviel DemonstrantInnen weiß Herrmann nicht.

Die Organisatoren der Veranstaltung werfen der Ordnungsmacht vor, sich an Absprachen nicht gehalten zu haben. Völlig defensiv hätte die Polizei auftreten wollen. Statt dessen waren die Beamten mit Helmen und Schilden ständig präsent, liefen mit Hunden am Ende des Zuges. Von Fingerspitzengefühl zeugt der Einsatzplan des Eberswalder Präsidiums nicht: Als Einsatzleiter vor Ort bestimmte man jenen Beamten, der am Tage des Überfalls auf Amadeu Antonio für die Überwachung der rechtsradikalen Jugendlichen verantwortlich war — und geschehen ließ, daß man ihn erschlug. Bascha Mika