Da lacht das Herz

■ Gnadenloses Schauspiel: The Flash an Crash Days von REgisseur und Autor Gerald Thomas beim Sommertheaterfestival

von Regisseur und Autor Gerald Thomas beim Sommertheaterfestival

„Mutter enthauptete Tochter!“ - „Tochter aß Mutter ihr Herz auf!“ Das wäre The Crash and Flash Days im kurzen Überblick. In Zeiten, wo die Diskussion, ob man Fergie die Kinder wegnehmen soll oder Woody Allen ein schlimmer Päderast ist, öffentlich die Gemüter erhitzt, und die Kioske darüber hinaus täglich mit fetten Lettern über tötende Stiefväter und kettensägenschwingende Söhne vollgehängt sind, würden sich diese Schlagzeilen nahtlos einpassen.

Aber The Crash and Flash Days ist schließlich nur ein Spiel, das in grandioser Übertreibung den mordlüsternen Haß zwischen den Generationen in ihrem primären und intimsten Vorkommen, zwischen Eltern und ihren Kindern, inszeniert. Vor allem und über alles zu loben ist in dieser Produktion des in New York lebenden Star-Skandal-Regisseurs und -Autors Gerald Thomas die Leistung der beiden brasilianischen Schauspielerinnen Fernanda Montenegro und Fernanda Torres, ein auch in der Wirklichkeit authentisches Mutter- und Tochter-Gespann.

So schrill entzückend wie die Kostüme der Akteurinnen ist auch das Bühnenbild: In der Mitte, vor der Kulisse einer nachtblauen Wandvertäfelung mit vielen Türen, steht ein qualmspeiender Mini-Vulkan. Einzige Aufsichts-Instanz im familiären Fegefeuer sind zwei stummme flügel- und hörnertragende Domestiken und ein Weißkittel auf Pumps, die das Schlimmste jedoch nicht verhindern können. Nachdem die Tochter ihre am Boden gefesselte Mutter zunächst mit einem Tortenstück zu ersticken versucht, wankt die Gequälte kurz darauf, den Hals von einem Pfeil durchbohrt, auf die Bühne und unterbricht räuspernd ihre gurgelnde Todesarie, bevor sie zu Boden sinkt.

Doch das Leben geht schließlich weiter, und auch die Tochter bleibt nicht verschont. Von den Domestiken festgehalten onaniert die Rasende zu Füßen der Mutter - die Regie beschert dem Publikum das absonderliche Zitat einer mittelalterlichen Pieta-Gruppe.

Worte werden kaum getauscht, nur hin und wieder um „Wasser“ gefleht. Ansonsten wird gebrüllt, gewürgt, gerungen und getobt: Das gute Kind schlitzt seiner Erzeugerin die Brust auf, entreißt das Herz und wirft es behend in den Vulkankrater. Zur Strafe schlägt die wieder zur Besinnung Gebrachte ihrem eigen Fleisch und Blut den Kopf ab, was diese wiederum quittiert, indem sie vor den Augen der Mutter deren blutiges Herz verspeist.

The Flash and Crash Days sei ein „lustiges Stück“, hat Gerald Thomas gesagt - und nicht zuviel versprochen. Das fraglos belustigte Publikum wurde sich allerdings selbst noch einmal vorgeführt: Während Fernanda Montenegro bewegungslos im Raume verharrte, ging das Licht im Zuschauerraum an. Fünf Minuten lang erhoben sich im verunsicherten Publikum hie und da einzelne Klatschgeräusche und verstummten wieder. Aber, das ahnte man ja allmählich, das Stück war noch nicht zu Ende. Im Finale liefern sich Mutter und Tochter zu wagnerianischen Klängen noch ein haßerfülltes Kartenspiel.

Die Zuschauer waren begeistert. Denn The Crash and Flash Days ist eben gnadenloses Schauspiel im besten Sinne des Wortes, ist witzig, grotesk, infam und logisch. Da lacht das Herz. Mechthild Bausch

Halle 2, bis 25.8., tägl. 21 Uhr