Vorlauf
: Bunter Bildersalat

■ "Haß", 20.45 Uhr, West 3

Nichts ist unsinniger, als ein „Gefühl“ per Definition in den Rang des vernünftig Diskursivierbaren erheben zu wollen. Nichts ist aber auch schauderhafter als jene Gespräche und Talk-Shows, die da topengagiert um ein „Gefühl“ kreisen und logischerweise regelmäßig wie das Hornberger Schießen ausgehen. Wenn nun der WDR, von der Schubladen-Phobie getrieben, eine Sendung über den „Haß“ schlicht als „Filmmontage“ ankündigt, steht natürlich schwer „Avantgardistisches“ auf dem Programm.

So haben die drei (!) Autoren eine Reihe von „Experten“ in Sachen Haß befragt. Unter anderem erzählt ein Kriminologe von einem besonders abscheulichen Ehedrama, Elfriede Jelinek von masochistischen Tendenzen bei Frauen, eine Astrologin über den „Haß-Planeten“, ein Jesuit über die Freuden, „eins mit seinem Atemgeschehen“ zu sein, und auch Objekt-Subjekt-Guru Klaus Theweleit hat zwei Sätze frei. Alle — weder neue noch sonderlich erhellende — Auslassungen werden eingebunden in einen bunt-beliebigen Bildsalat, notdürftig garniert mit einer Reihe modisch chicer Video-Spielereien. Von Ausschnitten aus Helke Sanders Film „Befreier und Befreite“ einmal abgesehen, plätschert das Ganze so gefällig wie dürftig dahin, als hätte man sich mal abends zum Bier getroffen, ein bißchen braingestormt und gleich am nächsten Morgen mit dem Drehen begonnen. Der Versuch, der öden 08/15-Dramaturgie des Fernsehens mit „innovativen“ Formen ein paar Frischzellen zu verpassen, ist fraglos löblich. Wenn sich das Ganze allerdings, wie in diesem Fall, in einer sich avantgardistisch gerierenden Attitüde erschöpft, geht der Schuß unweigerlich nach hinten los. Denn dieses ambitionierte Mixtürchen ist ungefähr so brisant wie jenes nette Liedchen, mit dem einst Inga Humpe im Sauseschritt mit der Liebe im Gepäck gegen den Haß zu Felde düste. Auch beziehungsweise gerade „nichtlineares“, „krauses“, „assoziatives“ Denken will schließlich gelernt sein. Hier sieht das Ganze so aus, als habe sich ein Maler nur deshalb dem Abstrakten verschrieben, weil er den Dreh mit der Perspektive nie rausgekriegt hat. Reinhard Lüke