Noch mal davongekommen: War's das?

■ Der Senat hat der Berliner Kabarettanstalt BKA eine einmalige Zahlung von 254.000 Mark bewilligt/ Der Saal blieb leer, ein Haus-Star litt an Stimmkatarrh/ Jetzt wird der alte Geschäftsführer neuer künstlerischer Leiter, der Kassenwart Verwaltungsdirektor

Wer gut ist, führt den Kampf bis zum äußersten«: So hieß in den vergangenen Wochen stets das Überlebensmotto des Geschäftsführers Jürgen Müller. Nach acht Jahren stand die Berliner Kabarettanstalt (BKA) vor dem finanziellen Ruin. 350.000 Mark Defizit und ein überwiegend leerer Saal waren das traurige Ergebnis einer schlingernden Geschäftspolitik, die sich besonders in diesem Jahr wachsender Konkurrenz verheerend auf das Betriebsergebnis niederschlugen. Lange geschah nichts, um die drohende Katastrophe abzuwenden. Erst als die Berliner Elektrizitätswerke dem BKA drohten, den Strom zu sperren und die Wiener Kleinkunsttruppe »die Tiezes« am Ende ihres Vier-Wochen-Gastspiels nicht ausgezahlt werden konnten, schrillten die Alarmglocken in der Führungsebene.

Ein großes Lamento setzte ein: »Jetzt muß der Senat uns helfen«, war aus dem Hause am Mehringdamm immer wieder zu hören. Und der Senat half. 254.000 Mark pumpt der Kultursenator in das schwarze Loch BKA. Vielleicht tut er es in erster Linie, um die dreiviertel Million Umbauzuschuß, die erst vor kurzer Zeit zur Sanierung der Spielstätte bewilligt worden waren, nicht endgültig abschreiben zu müssen.

Die Verhandlungen waren zäh und die Vorbehalte gegenüber der Geschäftsführung des BKA auf Senatsseite so groß, daß die nun bewilligte Liebesgabe nur unter der vertraglich vereinbarten Bedingung ausgezahlt wird, daß sich in der Organisationsstruktur der Kabarettanstalt einiges ändert. Wichtigstes Element ist hierbei die Einsetzung zweier Geschäftsführer, die dem alten BKA-Vorstand gegenüber lediglich rechenschaftspflichtig, aber nicht weisungsgebunden sind. Zwei neue Besen sollen künftig getrennt von einander besser kehren: Die künstlerischen und betriebswirtschaftlichen Belange werden entflochten — und damit hoffentlich auch professioneller verwaltet.

Eine gute Idee, sicherlich. Viele der kleinen und großen Spielbetriebe kranken daran, daß enthusiastische Theatermacher nicht wirtschaftlich denken können — oder wollen. In Zeiten, in denen der Senat jede müde Mark fünfmal umdrehen muß, ist eine kritische Überprüfung der Buchhaltung ein verständliches Ansinnen, denn für Mißwirtschaft als Ausdruck künstlerischer Kreativität fehlt der Stadt zur Zeit das nötige Kleingeld.

Um so erstaunlicher ist es nun, wenn man sich vergegenwärtigt, wer denn nun die beiden neugeschaffenen Geschäftsführerposten besetzen werden: Nils von Wieringen, der künftige Verwaltungsdirektor, entpuppt sich nämlich als langgedienter Kassenwart des Pleiteunternehmens, der künstlerische Leiter des BKA wird Jürgen Müller himself sein. Gerade ihm kreiden aber viele an, daß er in der Vergangenheit die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Denn obwohl das BKA immer noch eine der schönsten Spielstätten der Stadt ist, strömen die Leute zur Zeit doch eher am Programmangebot der Kabarettbühne vorbei.

Sicher ist es ein fragwürdiges Unterfangen des Senats, einerseits die privaten Kleinkunstbühnen zu finanzieren, andererseits mit dem Podewil die übermächtige — weil finanzstarke — Konkurrenz selbst aufzubauen. Sicher ist das Varietéangebot im Ostteil der Stadt eine Herausforderung für jede alteingesessene Westbühne, der das Publikum dereinst wie gebratene Hähnchen in den Mund flog. Und natürlich kann niemand etwas dafür, wenn Tim Fischer, der Star der Saison, an einem Stimmkatarrh leidet. Aber das alles erklärt noch nicht, warum das BKA im letzten Jahr derart weit von der magischen 40-Prozent-Auslastung entfernt war, die das selbständige Überleben der Bühne sichern würde.

»Das war's« wird das Programm mit Tim Fischer und Lenard Shaw heißen, in dem Jürgen Müller endlich einmal mit dem ganzen Kulturbetrieb (der ihn gerade erst gerettet hat) abrechnen will. Auf die Frage, welche Maßnahmen er denn als künftiger künstlerischer Leiter ergreifen wolle, um eine zweite Pleite in einem halben Jahr zu vermeiden, bleiben die Vorstellungen vage. Etwas mehr Boulevard will er machen, weil die Leute in so was gerne gehen, und eine Hausproduktion wird es demnächst geben, »weil das viel billiger ist als die vielen Gastspiele«.

Alle anderen Neuerungen waren zu erwarten: Staffelpreise, einige Benefiz-Acts und regelmäßige Stoßgebete, daß Sissy Perlinger und Tim Fischer ihre Gastspiele in diesem Herbst nicht noch einmal absagen müssen. Dann wäre das Haus mal wieder voll, die 300 Plätze besetzt. Das wär's dann. Eine Rettung freilich ist das noch nicht. Klaudia Brunst