Weiterhin unsichtbare Mauer im innerstädtischen Busverkehr

■ Fast zwei Jahre nach dem Fall der Mauer gibt es noch immer keine Buslinie von Kreuzberg nach Friedrichshain und Kreuzberg nach Mitte

Kreuzberg/Friedrichshain/Mitte. Die Sache ist Verkehrssenator Haase (CDU) ganze zwölf Zeilen wert. Auf die Frage des Abgeordneten Axel Kammholz (FDP), warum die Busverbindungen zwischen Kreuzberg und Mitte sowie Kreuzberg und Friedrichshain »den Stand der Zeit vor dem Mauerbau« aufweisen, weiß der Senator nur zu antworten, daß auch seine Verwaltung die fehlenden Linien »für dringend erforderlich« hält, als Voraussetzung dafür aber verschiedene Brücken über der Spree saniert werden müßten.

Die Antwort verblüfft ein wenig. Zwischen Kreuzberg und Mitte gibt es keine einzige Brücke. Und angesichts von Tausenden von Lastern, die jeden Monat die Wilhelm-, die Friedrich- und die Heinrich-Heine-Straße passieren, fragt man sich, was hier saniert werden soll, damit sich zwischen 30-Tonner auch die »großen Gelben« der BVG einreihen dürfen. Was den Bezirk Friedrichshain angeht, dient Haases knappe Begründung immerhin der Erheiterung des dortigen Bezirksbürgermeisters Helios Mendiburu (SPD). Der kann nämlich über angeblich baufällige Brücken nur lachen und rät Haase, sich einmal an die Schillingbrücke zu stellen, um Lkws zu zählen.

Mendiburu möchte wie auch Erika Romberg (Bündnis 90/Grüne), Kreuzberger Baustadträtin, daß die Busse der BVG vom Hauptbahnhof zur U-Bahn-Linie 1, die bisher am Schlesischen Tor endet, fahren. Wer von Kreuzberg zum Hauptbahnhof oder Bezirksamt Friedrichshain wolle, müsse mindestens zweimal umsteigen, sagt die Baustadträtin. Auch die Verbindung zum Alexanderplatz sei »ziemlich dämlich«. Tatsächlich habe die BVG keine Buslinien eingerichtet, weil der Verkehrssenator den Etat des Nahverkehrsunternehmens zusammengestrichen habe — die unsichtbare Mauer für Doppeldecker bestehe nicht, weil Brücken unpassierbar seien.

Benno Hasse (Bündnis Mitte), Bezirksbürgermeister von Mitte, sieht ebenfalls dringenden Bedarf für Buslinien zwischen seinem Bezirk und Kreuzberg. Der tägliche Dauerstau des Autoverkehrs zwischen beiden Bezirken mache deutlich, daß der öffentliche Verkehr dringend bevorzugt werden muß. »Doch die BVG dümpelt vor sich her wie ein volkseigener Betrieb«, meckert der Bürgermeister.

Die Antwort des Verkehrssenators: »Zum Fahrplanwechsel im Mai 1993 bereitet die BVG eine Änderung des Omnibusliniennetzes vor.« Die schnelle Reaktion der Verwaltung auf die Verkehrsprobleme dieser Stadt überrascht — aber in der Verwaltung an der Urania scheint irgendwo ein »Held der Arbeit« zu sitzen. Dirk Wildt