Hausmeister kommen kaum zum Essen

■ Erstmals in der Bundesrepublik werden zwei Frauen und neunzehn Männer in einer Fortbildungsmaßnahme auf den Beruf des Hausmeisters vorbereitet/ Neun Monate Theorie: Wirtschaftskunde, Tischlerei und Sprachkommunikation

Aus der Sicht der Mieter haben Hausmeister oft nicht mehr zu tun, als gelegentlich einen tropfenden Wasserhahn zum Schweigen zu bringen oder es in der Gerüchteküche des Hauses auf steter Flamme köcheln zu lassen. Kraft ihres Amtes weisen sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Mieter zurecht, und das oft in einer Lautstärke, daß der Mieter den Putz bröckeln hört. Dieser Art der Hausmeistersgattung hat bald die letzte Stunde geschlagen. Innerhalb eines kurzen Jahres wurden zwei Frauen und neunzehn Männer in einer Fortbildungsmaßnahme des Arbeitsamtes systematisch für eine Hausmeistertätigkeit ausgebildet — und das sei einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik, sagen die Macher vom »Bildungszentrum Möbel Berlin GmbH«.

Neun Monate graue Theorie, in denen ihnen Grundfertigkeiten des modernen Hausmeisters von der Wirtschaftskunde bis zu Tischler- und Malerfähigkeiten vermittelt wurden, liegen hinter ihnen. Das Bildungszentrum bildete die Hausmeister in spe dabei auch in »Sprachkommunikation« — oder schlichter Deutsch — aus, denn der Hausmeister von morgen müsse vor allem viel schreiben, so Peter Behrisch, der für den Unterricht verantwortlich ist. Die Hausmeisteranwärter besäßen zwar meist eine handwerkliche Vorbildung, aber mit »dem Schreiben, da hapere es ein bißchen«. Von dem »lästigen Schreibkram« kann Dieter Wittke bereits ein Lied singen: »Hier passiert nichts, ohne daß nicht eine Aktennotiz gemacht wird. Jede Beschwerde wird erst einmal in eine Mängelliste eingetragen. Bei so vielen Menschen geht das ja nicht anders.« Seit Anfang August ist der 29jährige gelernte Betriebsschlosser Praktikant in einem »Hauswartsstützpunkt« in Lichtenberg. Eine nette Atmosphäre herrsche zwischen den Praktikanten und den »erfahrenen Hauswarten«, die in die Alltagsarbeit einführen.

»Hausmeister ist ein begehrter Beruf«, sagt Dieter Wittke, »die meisten denken, das sei ein ruhiger Job, aber ausruhen kann man sich hier nicht.« Die 50jährige Paktikantin Gisela Voigt bemitleidet den erfahrenen Hauswart André Skowronek, der sie betreut: »Der muß sich immer beeilen und kommt kaum zum Essen.« Als nicht ungefährlich stellt sich die Arbeit beim »Müllziehen« heraus, und nicht nur, weil die rund 550 Bewohner des Plattenhochhauses in der Lichtenberger Massowstraße täglich »mindestens 450 Kilogramm« Müll produzieren. Aus achtzehn Stockwerken rutscht der Dreck durch dunkle Kanäle im Haus in einen Container im Erdgeschoß.

»Der muß regelmäßig ausgetauscht werden, und da kann man sich schon quetschen«, erzählt der gelernte Betriebsschlosser Dieter Wittke. »Wenn beim Müllziehen noch was in der Leitung steckt, wird man verschüttet.« Die kleine Frau Voigt kommt gar nicht erst in Gefahr: »Ein Container wiegt mindestens 400 Kilo, wenn er voll ist. Das ist schon für Männer schwierig, den noch zu bewegen«, meint Hauswart Skowronek, »das schafft die Frau Voigt nicht alleine.«

»Paß uff«, raunt Gisela Voigt, als der Betreuer ihr zeigt, wie bei einer »Fahrstuhlbefreiung« vorzugehen ist. Ein schwarzes Loch gähnt zwischen den halb geöffneten Aufzugtüren. »Mindestens einmal in der Woche stecken Leute im Aufzug fest, weil sie darin rumspringen oder sich zu viele hineinquetschen«, sagt der erfahrene Hauswart. Ansonsten spielt sich der Alltag eher zwischen defekten Treppenhausbeleuchtungen und Mietersprechstunden ab, in denen bei »älteren Damen und Herren seelsorgerische Qualitäten« gefragt sind. Bei den meisten Praktikanten ist der »Traumberuf Hausmeisterei« aus der Not geboren. Dem Brauer Gunnar Wilke stößt es auf, daß das Arbeitsamt ihn mit 39 Jahren für schwer vermittelbar hält. Neun Monate war er arbeitslos, und nun will er solange bei der Hausmeisterei bleiben, bis er vielleicht doch noch in seinen Beruf rutscht — 17 Jahre hat er als Brauer gearbeitet.

Gisela Voigt rechnet sich nach der Fortbildungsmaßnahme nicht einmal große Chancen aus: »Meist machen das ja Männer, aber irgendwas mußte ich ja tun.« Ein anderer, der 15 Jahre im Dienste der Staatssicherheit stand, fand sich nach der Wende bei der Stadtreinigung wieder. Als dort gespart werden mußte, sei er aufgrund seiner Vergangenheit als erster rausgeflogen, erzählt der gelernte Baumaschinist. Er hat sich auch schon mal um eine Stelle als Hausmeister beworben, weil er gedacht habe: »Das kann ich besser als der.«

Der »sachliche und freundliche Umgang« mit den Mietern soll zu den besonderen Qualitäten der ausgebildeten Hausmeisterart gehören. »In die Situation der Mieter« will sich Uwe Trost in brenzligen Momenten versetzen, und für Gunnar Wilke ist das überhaupt kein Problem, denn »nebenberuflich sei er ja auch Mieter«. Sollte das Schule machen, dann wird endlich so manchem Hausmeister alter Prägung das gehässige Lachen vergehen. Ralf Knüfer