Weltkonferenz wird zur Wackelpartie

■ Die »Zweite Weltkonferenz für Strahlenopfer« Ende September droht zu einem Debakel zu werden/ Schlechte Planung und Mißmanagement stellen Senatsförderung in Frage/ Erwartete Teilnehmerzahl hat sich bereits auf ein Viertel reduziert

Berlin. Als Weltkonferenz wurde sie angekündigt. In einer Wackelpartie droht sie zu enden. Von 20. bis 25. September soll in der Kongreßhalle die »Zweite Weltkonferenz der Strahlenopfer« stattfinden, fünf Jahre nach der ersten Weltkonferenz in New York. Doch inzwischen distanzieren sich selbst Sympathisanten von dem Vorhaben. Schlechte Vorbereitung, Mißmanagement und mehrere Pannen stellen eine finanzielle Förderung durch den Senat in Frage. Obwohl das Programm bereits abgespeckt und die erwartete Teilnehmerzahl von 1.200 auf gut ein Viertel reduziert wurde, droht der »Gesellschaft für eine nuklearfreie Zukunft« (GNZ), die die Konferenz veranstaltet, ein Defizit von über 50.000 Mark.

Die Schuld an dem drohenden Debakel schiebt GNZ-Geschäftsführer Stephan Dömpke auf den Senat. Der Landesregierung sei das Anliegen der Konferenz unliebsam; öffentliche Aufmerksamkeit für die Strahlenschäden, die Atombombenabwürfe, Atomtests und Atomkraftwerke weltweit verursachen, sei politisch nicht gewollt. Die Senatswirtschaftsverwaltung weist diesen Vorwurf zurück: Dömpkes Verein habe es versäumt, sich rechtzeitig und mit fundierter Begründung um eine Förderung zu bemühen.

In der Tat erklärte die GNZ noch im Mai 1991 gegenüber dem Sozialausschuß des Abgeordnetenhauses, sie erwarte »keinerlei materielle Zuwendung« vom Land Berlin. Erst im Juni 1992, drei Monate vor dem Kongreß, stellte der Verein einen neuen Förderantrag, in dem eine Fülle von »Unstimmigkeiten, irreführenden und falschen Angaben« enthalten sind. So heißt es in einem der taz vorliegenden Vermerk der Senatssozialverwaltung vom 23. Juli. Die Kritikpunkte der Senatsbeamten werden sogar von Dömpke selbst nicht betritten:

— Als »wissenschaftlichen Leiter« der Konferenz nannte die GNZ den Münsteraner Professor Wolfgang Köhnlein. In Wahrheit hatte Dömpke jedoch lediglich einige Telefongespräche mit dem Strahlenbiologen geführt. Eine wissenschaftliche Leitung gibt es indessen bis heute nicht.

— Statt dessen fungiert angeblich ein »wissenschaftlicher Beirat« mit Experten aus aller Welt. Mangels Geld ist dieser Beirat jedoch nie zusammengetreten.

— Als »Eröffnungsredner« kündigte Dömpkes Verein Bundespräsident Richard von Weizsäcker an. Lediglich ein in Klammern gesetztes kleines »a.« deutete an, daß bei Weizsäcker nur angefragt worden war. Inzwischen hat der Bundespräsident abgesagt, genauso wie der Gießener Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter und der Umweltjournalist Martin Urban, die als Leiter und Moderatoren von drei Foren angekündigt waren.

— Noch im Juni, so der Senatsvermerk, war der Ablauf des Programms »vollkommen unklar«. Inzwischen hat die GNZ ein detailliertes Programm mit einer langen Liste geplanter Workhops vorgelegt. Ob die Foren stattfinden können, in denen die Ergebnisse der Workshops diskutiert werden sollen, ist immer noch offen.

— Ursprünglich rechnete die GNZ mit 1.200 Besuchern. Bislang liegen nur 79 Anmeldungen von Besuchern und Zusagen von etwa 160 Experten vor. Kein Wunder: In derselben Woche findet »unglücklicherweise« (Dömpke) der Umwelttag in Frankfurt statt. Eine Woche zuvor tagt in Salzburg das »World Uranium Hearing« mit ähnlicher Themenstellung wie die Berliner Weltkonferenz.

Diese und weitere Mißhelligkeiten sorgen dafür, daß sich selbst Unterstützer von dem Vorhaben distanzieren. Die Überschneidung mit Salzburg sei »etwas absurd«, urteilt Michael Roelen, Sprecher der Ärzte gegen den Atomkrieg. Sebastian Pflugbeil vom Neuen Forum, bis zum Frühjahr GNZ-Vorsitzender, war Anfang des Jahres zu dem Schluß gekommen, daß die Sache »nicht mehr seriös machbar ist«. Der Vorstand habe damals Dömpke angewiesen, die Konferenz abzusagen. »Aber«, bedauert Pflugbeil, »das hat er einfach nicht getan. Er hat die Augen zu- und weitergemacht.« Daraufhin verließen Pflugbeil und Roelen den Verein.

Verloren ist die Sache noch nicht. Mit einem abgespeckten Finanzplan — weniger Teilnehmer, weniger Simultandolmetscher — hat Dömpke inzwischen erneut einen Förderantrag gestellt, dem im Senat größere Chancen eingeräumt werden. Auf alle Fälle will die Stadt darauf verzichten, für die Kongreßhalle eine Miete von 65.000 Mark zu erheben.

Inzwischen hat sich auch Ärztekammerpräsident Ellis Huber eingeschaltet und für ein »ganz straffes Finanz-Controlling« gesorgt. Seine Kammer will zur Not einen 20.000- Mark-Kredit bereitstellen. Auch Roelen und Pflugbeil unterstützen Dömpke immer noch mit Rat und Tat, um »aus der verfahrenen Situation noch ein bißchen was zu machen«. Ein weinendes Auge hat Pflugbeil trotzdem. »Wenn die Konferenz stattfindet«, sagt er, »dann ist das Thema erst mal verbraten.« Hans-Martin Tillack