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Deutsche Wertarbeit für den Irak

Gutachterbefragung im Thyssen-Prozeß/ An zivilen Einsatz glaubten die Manager selbst nicht  ■ Aus Bochum Walter Jakobs

Die Anforderungen der Iraker hatten es in sich: Die Pumpe sollte 23-25.000 Umdrehungen pro Minute leisten, einen maximalen Belastungsdruck von 120 bar aushalten, und alle Teile mußten gegen hochdichtige für den Rakentenantrieb notwendige Salpetersäure resistent sein. Nur auf die bei Kreiselpumpen übliche Lebensdauer von bis zu 40.000 Stunden kam es den Irakern nicht an. Maximal 100 Stunden Lebensdauer reichten ihnen. Das alles sind Anforderungen, die, so hat die Gutachterbefragung im Prozeß gegen drei Thyssen-Manager in Bochum ergeben, für den Pumpenexperten zuerst in eine Anwendungsrichtung weisen: Luft- und Raumfahrtechnik. Den Verdacht, daß diese besonderen Anforderungen so gar nicht zu dem von den Irakern offiziell angegebenen Einsatz in der petrochemischen Industrie passen wollten, hegten die Thyssen-Manager schon bei der Anbahnung des Geschäftes im Jahr 1988. Dennoch beantragten sie beim Bundesamt für Wirtschaft die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung. Das Amt reagierte prompt. Schon am 9. Mai 1988 kam die sogenannte „Negativbescheinigung“, also das Okay zum ungehinderten Export. Ein Jahr später erfolgte die Verlängerung. Daß den Eschborner Kontrolleuren nichts verdächtig erschien, hat gewiß damit zu tun, daß die Thyssen-Verantwortlichen alle Verdachtsmomente verschwiegen. Als Peter Pawlitzki, Vertriebschef der Thyssen Maschinenbau GmbH, und der Geschäftsführer des Unternehmens, Uwe Kirchner, im August 1989 aus dem Irak zurückkamen, verfaßten sie einen Vermerk, der klarer nicht hätte sein können. Sie seien von ihren irakischen Partnern in ein „militärisches Sperrgebiet“ gebracht worden. Es sei davon auszugehen, daß „alle Fabrikanlagen“ auf dem Gelände, auf dem auch ein in Deutschland über Thyssen georderter Pumpenteststand aufgebaut werden sollte, „der Produktion militärischer Produkte dienen“. Man habe in den Hallen Raketen- und andere Militärteile gesehen. Das Resümee der beiden Angeklagten: „Es ist nicht auszuschließen, daß die von uns zu liefernden Pumpen eine militärische Verwendung finden.“ Der Vermerk ist vom 24. 8. 89 datiert. Fünf Tage später, während einer Geschäftsführersitzung der GmbH, wurde er aus dem Verkehr gezogen. Verantwortlich dafür ist nach Auffassung von Kirchner und Pawlitzki das Vorstandsmitglied der Thyssen-Industrie AG, Ulrich Berntzen, direkter Vorgesetzter der beiden GmbH-Manager. Berntzen habe auch die Fortsetzung des Geschäftes angeordnet, weil ein Verdacht nicht ausreiche, um einen „Vertragsbruch zu begehen“. Den Bericht habe er einziehen lassen, weil er befürchtet habe, daß die „Lieferung von zivilen Produkten an einen militärischen Kunden“ Anlaß geboten hätte, den guten Namen Thyssen „duch die Gazetten“ zu ziehen. Daß der wahre Grund für das Verschweigen woanders zu suchen ist, deutete der immer noch im Thyssen-Vorstand tätige Berntzen gestern mit dem Hinweis auf das für Thyssen insgesamt bedeutende Exportland Irak nur an. Klarer formulierte Peter Pawlitzki die Motivlage: „Entscheidend“ sei die nicht „besonders rosige“ Geschäftslage im Pumpenbereich für die Verschwiegenheit gewesen. Solch „lukrative Aufträge“ seien selten. Die in Israel eingeschlagenen Scud-Raketen waren noch nicht mit Thyssen-Pumpen bestückt. Die deutsche Wertarbeit war bei dem geplanten Nachbau vorgesehen.

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