: Unverstanden im CDU-Westen
■ Ex-DDR-Innenminister Diestel bei der CDU-Schwachhausen zu Gast
„Ich bitte Sie, mich zu verstehen“, beschwor Peter-Michael Diestel, letzter Innenminister der DDR und heute brandenburgische CDU-Landtagsabgeordneter, den Kreisverband Schwachhausen der Bremer CDU und Interessierte im Hotel Munte: aus ostdeutscher Sicht sehe eben vieles anders aus. Die CDU in Brandenburg liegt derzeit bei 14 Prozent, der neue West-Import im Amte des Landesvositzenden, Ulf Fink, sei weniger als 10 Prozent der Brandenburger bekannt. Der Bonner CDU-Spitze warf er vor, die ostdeutsche CDU allein zu lassen. „Es ist ein Segen, daß Manfred Stolpe nicht in der CDU ist, dann wäre er heute kein Ministerpräsident mehr.“
„Die Partei, die ich vertrete“, sagte Diestel, sei eine andere als die Bremer CDU etwa: „80, 90 Prozent der Mitglieder“ seien in der Blockpartei gewesen, die Volkskammer-Abgeordneten der CDU hätten zu den Ja-Sagern gehört: „Die Partei, die ich vertrete, trägt Mitverantwortung für die Akzeptanz der SED.“ Diestels Konsequenz: Die CDU dürfe die 2,4 Millionen SED-Mitglieder nicht pauschal ausgrenzen, es gebe „nur gebrauchte DDR-Bürger“. Niemand würde im Osten verstehen, warum der Polizeibeamte, der derzeit in Rostock die neue Ordnung schütze, nicht Mitglied der CDU werden dürfe, nur weil er vor drei Jahren noch bei der SED war.
Weil er diesen Brückenschlag betrieben hat, war Diestel als Chef der brandenburgischen CDU gestürzt worden. Die Sorge um die Ausgrenzung der SED- Mitglieder scheint eine starke Motivation für Diestels Aktivitäten in den „Komitees für Gerechtigkeit“. Die ca. 150 Versammelten aus Schwachhauser CDU- Kreisen verstanden das nicht und wollten wissen, was das der CDU nützen soll. Landesvorssitzender Bernd Neumann spielte seine rhetorische Überlegenheit gegenüber dem vor drei Jahren in die Politik gerutschten Diestel (40) voll aus, um das Unverständnis der „Wessis“ für die Ostdeutschen zu verstärken. Was in den zwei Jahren seit der Einheit von den Westdeutschen geleistet worden ist, sei „sensationell“, rief Neumann. Nach 1945 hätten die Westdeutschen Jahrzehnte „zäher Arbeit“ gebraucht, um das Wirtschaftswunder zu erreichen. Wobei das Erbe der 40 Jahre DDR, so Neumann, „weitaus schlimmer ist als das, was wir von den Nazis übernommen haben.“
Nur einmal gelang es Diestel, das schlichte Schema von Neumann zu durchbrechen. Stefan Heym, so hatte Neumann polemisiert, sei einer von denen, die „korrupte Personen wie Hermann Kant unterstützt“ hätten, daher wie Heinrich Albertz oder Heinrich Hannover „kein Kumpan“ für einen aufrechten CDU-Mann.
Man müsse einmal in die Stasi- Akte von Heym hineinschauen, konterte Diestel engagiert, um sich davon zu überzeugen, mit welchem Mut sich dieser Mann allein gegen die Partei gestellt habe. Er sei „stolz“, daß seine Unterschrift unter das Komitee für Gerechtigkeit auf derselben Seite stünde wie die des „aufrechten Demokraten jüdischer Abstammung“ Stefan Heym. K.W.
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