„Meine Antwort ist: Abspecken!“

■ Rundfunkrat debattierte über 6 Millionen Loch bei den Werbe-Einnahmen

„Eine Säule bricht weg.“ So beschrieb der Vorsitzende Heinz Möller auf der Sitzung des Rundfunkrates von Radio Bremen am Mittwoch den Ernst der Lage. 6 Millionen wird die öffentlich- rechtliche Anstalt allein 1992 weniger haben als im Haushaltsplan prognostiziert. Die „erheblichen Einbrüche im Werbemarkt“ sind dabei kein bremisches Problem: Während die Privaten ihre Werbeumsätze bundesweit seit 1988 um 2,8 Milliarden steigern konnten, fielen die Werbeeinnahmen bei den Öffentlich-Rechtlichen um 300 Millionen.

Bei Radio Bremen hat sich der Einbruch im Jahre 1992 überraschend deutlich fortgesetzt: Im Unterschied zu den Ende 1991 für den Wirtschaftsplan prognostizierten Werbeeinnahmen von 15,6 Millionen im Fernsehbereich rechnet der Sender derzeit nur mit 14 Millionen (minus 10 Prozent), im Hörfunkbereich standen noch 6 Millionen im Wirtschaftsplan, erwartet werden heute 3,6 Millionen (minus 40 Prozent).

Für den Intendanten von Radio Bremen, Karl-Heinz Klostermeier, und den SPD-Medienpolitiker Manfred Fluß kann es nur eine Konsequenz geben: Bremen soll mit dem Bayerischen Rundfunk die Aufhebung der Werbegrenzen von “nicht mehr als 20 Minuten pro Tag“ und “nicht nach 20 Uhr“ fordern.

Die Wirtschaft ist an einer Öffnung der strengen Werbeverbote im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk interessiert, machte Rundfunkratsmitglied und Arbeitgeber-Präsident Braun klar: Von neuer Konkurrenz verspricht man sich eine Senkung der Preise bei den Privaten.

Kritik an der Werbungs-Offensive formulierte im Rundfunkrat der Vertreter des Kultur- und Bildungsvereins Ostertor, Uwe Martin. Das Vorabendprogramm sei schon zum Werbe-Begleitprogramm degradiert, einer Ausweitung dieses Prozesses müsse man einen Riegel vorschieben, erklärte er. Die Öffentlich-Rechtlichen Anstalten sollten sich auf ihren Auftrag besinnen und zum Beispiel weniger Geld für Sport- Rechte ausgeben.

Die hehren Ansprüche des Öffentlich-Rechtlichen Anstalten vertrat auch der CDU-Rundfunkrat Bernd Neumann: „Wir kriegen dann auch nach 20 Uhr Kommerzprogramm.“ Die sog. Harmonisierung des Vorabendprogramms sei „Gleichmacherei“ und eine „völlige Idiotie“, die Unterbrecherwerbung „kotzt mich an“, bekannte er: Mit der Anpassung an die Zwänge des Werbemarktes das eigene Profil aufzugeben sei „medienpolitisch falsch“. Die Folge müsse irgendwann die Infragestellung des Gebühren-Systems sein. „Wer es ernst meint mit dem öffentlich- rechtlichen Auftrag, der kann das nicht wollen.“

Was also tun? „Meine Antwort ist: Abspecken!“, erklärte der CDU-Politiker. 50 Hörfunk- Programme im öffentlich-rechtlichen Bereich seien eben zuviel. Letztlich, so deutete Neumann an, sei eine anspruchsvolle Öffentlich-Rechtliche Anstalt besser als zwei den Privaten gleichgemachte.

Dem SPD-Mann Fluß kamen solche Argumente, die die eigene Partei in den 70er Jahren vertreten hatte, aus CDU-Mund „verdächtig“ vor. „Was ist das eigentlich für eine Stragie?“, fragte er und plädierte dafür, den Privaten kein Terrain freiwillig zu überlassen. Wenn die Öffentlich-Rechtlichen keine „Highlights“ mehr bringen würden, „dann ist das der Anfang vom Ende“.

Derart auf die Finanzklemme eingestimmt verabschiedete der Rundfunkrat nach kurzer Debatte einen Nachtragshaushalt, der aus dem geplanten 4 Millionen Jahresüberschuß für 1992 ein 1,7 Millionen-Defizit macht. Spannend wird es, wenn demnächst für 1993 ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden muß. K.W.