Das puristische Nichtereignis

Hamburger SV-Bayer Leverkusen 1:1/ Der HSV quält seine verbliebenen Fans  ■ Aus Hamburg Claudia Thomsen

Mittwoch — endlose Weiten von allen vergangenen und zukünftigen Wochenenden dieser Welt entfernt. Ein nieseliger, grau-schmuddeliger Tag in Hamburg, mithin ein Tag, der sich allein dadurch auszeichnet, daß er vergeht: ein HSV-Spieltag eben. 14.600 Zuschauer waren immerhin gekommen — viele wohl weniger aus treuer Verbundenheit mit der Coordes-Truppe, denn inspiriert durch die vorab sehr verschwenderisch ins Volk gestreuten Freikarten — um das puristisch anmutende, torlose Nichtereignis gegen Bayer Leverkusen zu begleiten.

Und dennoch: Im Regenauffangbecken am Volkspark gab es diesmal mehr Fußball zu sehen als vor einer Woche gegen Nürnberg. Die Werkself um Ulf Kirsten konterte manchmal recht unterhaltsam. In den Hamburger Reihen hielt Florian Weichert mit einem croissant-zart am Tor vorbeigeköpften Ball in der 32. Minute wach, und der oftmals verstorben geglaubte Thomas von Heesen ballerte sich mit einem Lattenschuß aus 20 Metern (61. Minute) wieder in die Herzen der Fans und die Federn der auf Heldensuche befindlichen Medienvertreter. Verwunderlich mutete auch die Verzweiflung von HSV- Angreifer Yordan Lechtkov an, der, nachdem er sich diverse Male selbst austrickste, mit dem Fuß in den Rasen trat, daß es spritzte.

Ein Blick auf die, mit lauter vor sich hin meckernden Bundestrainern besetzte Südtribüne und vor allem die langsam einnieselnden Westkurven-Fans ließen die Kulisse wie eine inszenierte Zumutung erscheinen, so als tauche jeden Moment Kurt Felix mit seinem „Versteckte Kamera“- Team auf und würde ganz laut „Verstehen Sie Spaß“ über die Stadionsprechanlage brüllen.

Wie ein lebendes „Nein“ auf diese Vorwürfe agierte HSV-Coach Egon Coordes vor den sichtbaren Kameras auf der nachfolgenden Pressekonferenz. Tenor: „Wir haben nur unentschieden gespielt, weil die Leverkusener so toll sind. Ich bin zufrieden.“ Auch Bayer-Trainer Reinhard Saftig stand nicht unter dem Druck, etwas aussagen zu müssen: „Die Hamburger haben über Erwarten gut gekämpft; ich bin mit den Leistungen meiner Mannschaft zufrieden.“

Sicher, wirklicher Humor ist nicht ohne Tragik zu haben: Wenn die Hanseaten ihre Gefolgschaft jedoch weiterhin so quälen, ist zu erwarten, daß sich beim ersten Saisonsieg der Elbjungs schon viele treue Fans zu Tode gelacht haben.

Bayer Leverkusen: Vollborn - Foda - Wörns, Kree - Fischer, Scholz, Lupescu, Hoffmann (79. Nehl), von Ahlen - Kirsten (87. Herrlich), Thom

Hamburger SV: Golz - Rohde - Kober, Matysik - Babbel (77. Dotschew), von Heesen, Hartmann, Spies (50. Eck), Spörl - Weichert, Letchkow