Asyl auf dem Land: „Noch kocht das nicht über!“

■ Unmut in der Bevölkerung wächst / Kommunen fühlen sich im Stich gelassen

“Wir bekommen morgens ein Fax von der Kreisverwaltung und mittags stehen die Leute bei uns vor der Tür“, klagt Ulf Hillebrandt vom Ordnungsamt der Gemeinde Kirchlintheln im Landkreis Verden. Kirchlinteln hat 9.700 EinwohnerInnen und muß 136 Asylsuchende unterbringen. „Zur Zeit ist das noch lösbar“, stellt Hillebrandt fest, aber für die Zukunft sieht er schwarz. Er hat in der letzten Zeit mit zehn Wohnungseigentümern verhandelt, aber nicht eine zusätzliche Wohnung auftreiebn können.

Vor einem mit Kurden und Rumänen belegten Haus in einem Kirchlintler Ortsleil fuhren am letzten Wochenende drei junge Männer vor, warfen Steine in die Fenster und wollten Gardinen anzünden. Nachbarn alarmierten die Polizei.

Die SPD-Gemeinderätin aus diesem Ortsteil, die mit der kurdichen Familie befreundet ist, verlor bei der letzten Wahl 60 Stimmen. „Bei euch auf dem Hof treiben sich zuviele Ausländer 'rum“, bekam sie zu hören.

Kirchlintelns Gemeindedirektor Gert Rickmeyer weiß zwar nicht, „was am Stammtisch gesprochen wird“, aber „gewisse Unmutsäußerungen“ kommen ihm schon zu Ohren. Die Grundstimmung in der Bevölkerung gegenüber den Asylbewerbern sei schlecht, aber: „Das kocht noch nicht über.“ Schließlich seien die sozialen Spannungen auf dem Lande mit denen Rostocks nicht zu vergleichen.

Dennoch: Durch die verzweifelte Suche der Gemeinden nach Wohnungen werden die Mieten in die Höhe getrieben. Rickmeyer: „Wir akzeptieren schon für nicht besonders attraktiven Wohnraum Quadratmeterpreise bis zu zwölf Mark.“ Üblich waren auf dem Lande acht bis zehn Mark. In anderen Gemeinden, die näher an Bremen liegen, müssen längst bis zu 15 Mark gezahlt werden.

Beschwerden gibt es auch über die „aggressive Bettelei“ von Sinti und Roma. Mit den meisten Asylbewerbern käme die Gemeinde allerdinsg sehr gut aus, versichert Rickmeyer.

Weniger moderat äußert sich Gemeindedirektor Dieter Olliges aus Oyten. Er findet, die Asylbewerber sollten sich hier „wie Gäste benehmen.“ Statt dessen würden sie ihr Temperament ausleben.“ Wenn die Presse nicht dabei ist, wird er deutlicher: Die meisten „dieser Leute“ seien „Verbrecher“. Ein Bürger habe gesehen, wie ein Asylbewerber vor der Bank 35 Hundertmarkscheine gezählt habe. Daß es sich dabei um die Sozialhilfe für eine zwölfköpfige Familie handelt, behält Olligs für sich.

Der Landkreis Verden ist inzwischen dazu übergegangen, die täglich neu ankommenden „Direktzugänge“ aus Rumänien und dem ehemaligen Jugoslöawien in einem großen Zelt außerhalb der Stadt unterzubringen. Belegt ist es zur Zeit mit rund 40 Frauen, Männern und Kindern, dimensioniert ist es für die doppelte Anzahl. Einmal wurden die Zeltwände bereits aufgeschlizt. Seitdem soll ein Wachdienst rund um die Uhr für Sicherheit sorgen. Doch das Zelt ist ohnehin nur eine Übergangslösung. Ab Oktober wird es zu kalt.

Wie überall im Lande versucht auch hier die CDU, ihr Süppchen auf der allgemeinen Unzufriedenheit zu kochen. Gleich Wolfsburg, Gifhorn, und Helmstedt solle der Landkreis sich weigern, Direktzugänge aufzunehmen, fordert ihr Kreisvorsitzender. Die Jusos riefen derweil zu einer Demonstration „Gegen Ausländerfeindlichkeit „ auf und besetzten das Wahlkreisbüro des SPD- Bundestagsabgeordneten Arne Börnsen, der als Freund einer Grundgesetzänderung gilt.

Die Politiker sollen aufhören, sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen. Sie sollen endlich handeln. Das fordern die Verwaltungsbeamten in den Gemeinden. Die Bevölkerung sei die Debatte um eine Grundgesetzänderung leid, sie fordere Entscheidungen. „Wenn das nicht passiert“, so Verdens Kreisdirektor Werner Jahn, dann bekommen die Rechtsparteien bei den nächsten Wahlen gewaltigen Aufwind.“ asp